Wie berichten über Katastrophen?

Die Hochwasserkatastrophe an Ahr und Erft war nicht nur von den Regenmengen her außergewöhnlich - sie ist auch ein Ergebnis des Klimawandels. REUTERS/Wolfgang Rattay

Medien müssen immer häufiger über Krisen unterschiedlicher Art berichten. Für die gesellschaftliche Resilienz ist es wichtig, dass dies empathisch, sachgerecht und konstruktiv geschieht. Die Studie „Berichten über Leid und Katastrophen“ der Otto-Brenner-Stiftung gibt Anregungen, wie das gelingen kann. Die Ahrtalflut 2021 ist hierfür ein Lehrstück.  

Staudämme laufen über, Brücken brechen, der Strom fällt aus. Menschen verlieren ihr Zuhause, ihre Haustiere, ihr Leben. Das aktuelle Hochwasser in Europa hält ganze Länder in Atem. Denn Starkregen, Hochwasser und Flutkatastrophen kommen in immer kürzeren Abständen: Die Bilder der Zerstörungen in Österreich oder Polen und nicht zuletzt 2021 im nordrhein-westfälischen und rheinland-pfälzischen Ahrtal haben ihren Platz im öffentlichen Bewusstsein eingenommen, nicht zuletzt natürlich bei den Betroffenen.

Für berichtende Medien stellt sich angesichts von häufiger auftretenden Wetterereignissen sowohl auf überregionaler als auch auf lokaler Ebene die Frage, welche Rolle sie in der Bearbeitung der oft mit starken Emotionen, Verlusten und Herausforderungen verbundenen Situation spielen. Klar sei, so die Verfasserinnen der Studie der Otto-Brenner-Stiftung: „Im Krisenverlauf ist die bedeutsame Rolle von Medien nicht zu unterschätzen.“ Ziel der Autorinnen Marlis Prinzing, Mira Keßler und Melanie Radue ist es, durch ein größeres gegenseitiges Verständnis künftig die Krisenkompetenz von Bürger*innen wie auch Medienschaffenden zu steigern.

Berichten oder helfen?

Die Verfasserinnen der Studie haben zwei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, bei der 134 Menschen ums Leben kamen, Betroffene und Medienvertreter*innen zu ihren Eindrücken in der damaligen Notlage befragt. Der Fokus lag dabei auf den Beziehungen zwischen beiden Gruppen. Die Berichterstattenden thematisieren das schwierige Umfeld, ihre eigenen Emotionen und das Dilemma, ob sie ausschließlich berichten oder auch helfen sollen. Sie beschreiben, wie sehr sie die Gespräche mit Betroffenen und die Allgegenwärtigkeit der massiven Zerstörungen belasteten.

Die Betroffenen formulieren unterschiedliche Erwartungen an die Medienvertreter*innen. Sie wünschen sich sowohl Mitgefühl und genügend Zeit für die Gespräche als auch eine konstruktive, lösungsorientierte und nicht voyeuristische Darstellung der Situation. Abseits der politischen Agenda des gelungenen Wiederaufbaus erwarten sie kritische Recherchen, um Entscheidungen zu prüfen und Handlungsspielräume auch im Hinblick auf zukünftige Notfälle auszuloten – ein „Votum für umfassende journalistische Professionalität“, wie es die Autorinnen ausdrücken. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass sich das mit dem Anspruch der befragten Presseakteure deckt, Berichterstattung mit ausreichend Sachkenntnis und Empathie zu gewährleisten.

Krisenkompetenz steigern

Die Ergebnisse der Studie gehen mit konkreten Empfehlungen her. Medienschaffenden wird unter anderem vorgeschlagen, sich mittels Schulungen stärker mit ethischen Fragen und psychologischem Grundwissen im Hinblick auf Stresssituationen zu beschäftigen. Es wird angenommen, dass sie, wenn sie stärker über ihre Arbeitsweisen aufklären und öffentliche Erwartungen reflektieren, aktiv die Medienkompetenz ihres Publikums erhöhen können. Redaktionen und Medienhäuser erhalten vielfältige Anregungen für die Stärkung von Krisenkompetenz. Die Studie ist für lokale genauso wie überregionale Medien relevant.

 

 

 

 

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