Linke Medienakademie debattierte über Chancen für Medienfrauen
Mittlerweile zählt sie zu den größten Medienkongressen in Deutschland: Die Linke Medienakademie, kurz LiMA. Zur sechsten Neuauflage traf man sich vom 5. bis 8. März im Tagungszentrum am Berliner Franz-Mehring-Platz. Über 130 Veranstaltungen wurden geboten: Kurse zu journalistischem Schreiben, PR, Rhetorik und Onlinejournalismus, Lesungen, Fachvorträge sowie Podiumsdiskussionen zu Medien und Politik. 650 Teilnehmer folgten der Einladung und damit doppelt so viele wie im Vorjahr.
Am Vormittag des Internationalen Frauentags füllten überwiegend Journalistinnen den Münzenbergsaal, um über ihre Karrierechancen zu diskutieren. „Frauen in den Medien – keine Hürden mehr?“ lautete die Ausgangsfrage, zu der die Expertinnen Tina Groll, Autorin des Buches „Beruf Journalistin: Von kalkulierten Karrieren und behinderten Berufsverläufen“, die Chefredakteurin der Zeitschrift „melodie & rhythmus“, Nicole Kirchner, sowie Ulrike Maercks-Franzen, Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di geladen waren.
Die aktuellen Daten rufen durchaus nach Debatte. An der Oberfläche scheint es für Frauen heute leichter zu sein, sich im Beruf durchzusetzen. Frauen, die Nachrichten sprechen, Talkshows, die von Moderatorinnen geleitet werden, Chefredakteurinnen nicht nur bei „Emma“ – all das ist inzwischen Normalität. 37 Prozent derer, die in Deutschland als Journalisten arbeiten, sind weiblich – auch das eine enorme Verbesserung: In den 1970er Jahren waren es nur 20 Prozent. Hinter der Fassade sieht es allerdings für Frauen nach wie vor vergleichsweise unfreundlich aus. Noch immer sind die meisten Chefredakteure und Ressortleiter Männer. Nach einem guten Start haben es ihre Kolleginnen oft schwer, weiter zu kommen. Unabhängig von der Hierarchieebene verdienen sie im Durchschnitt 500 Euro im Monat weniger, nicht nur, weil sie sich schlechter verkaufen, sondern oft auch, weil sie – zugunsten der Kindererziehung – weniger Arbeitsjahre vorzuweisen haben.
Doch immerhin macht das Thema Kinder inzwischen Karriere, konstatierten gleich zu Beginn die Diskutantinnen, denen etwa dreißig junge Zuschauerinnen zuhörten. Zwar hätten es die Männer aufs Tapet gebracht und damit sei es erst Mainstream geworden – populärstes Beispiel dürfte der Spiegel-Redakteur Dieter Bednarz mit seinem Buch „Überleben an der Wickelfront“ sein – dennoch: Besser so, als gar nicht, meinte Tina Groll. „Ich sehe das sehr positiv“, so die 28jährige, die als Volontärin bei der Bremer Tageszeitungen AG arbeitet. „Ich habe so ein bisschen das Gefühl, das könnte eine aufkeimende Männerbewegung werden. Wenn man mit Männern redet, sagen die: Es ist so schön, so wichtig, es ist so eine intensive Zeit. Ich merke, ich habe mich selber verändert. Und mit diesen Kollegen kann man plötzlich viel besser zusammenarbeiten.“
Nichtsdestotrotz konstatierte Groll aus eigener Erfahrung, dass Gleichberechtigung im Medienbetrieb „in der Realität ein schwerer Kampf“ sei. Denn, so ihre Erklärung: „Das System Journalismus wurde weitgehend nicht unter Teilhabe von Frauen entwickelt.“ Dafür fehle insbesondere der jungen Generation die Sensibilität. „Sie hat nicht ein so großes Bewusstsein dafür, dass es nach wie vor noch eine strukturelle, aber auch eine auf zwischenmenschlicher Ebene vorherrschende Diskriminierung von Frauen im Journalismus gibt“, sagte Groll. Zu erklären könnte dies damit sein, dass diese Hürden erst spät sichtbar werden. In den Journalistikstudiengängen und Volontariaten, aber auch bei den Berufseinsteigern, liegt die Frauenquote bei 50 Prozent. Erst in der Altersgruppe ab 30 Jahren „verschwinden“ die Frauen auf einmal – selbst, wenn sie keine Kinder kriegen. Immerhin: 60% der Journalistinnen sind kinderlos. „Dennoch merken sie: Ich komme irgendwie nicht voran, weil ich bei meinem Arbeitgeber häufig als Risiko wahrgenommen werde. Kann die vielleicht schwanger werden?“, beschrieb Tina Groll die Situation.
Aber auch ein Karriereverständnis, das sich von dem der Männer unterscheidet, ist offenbar Grund dafür, dass Frauen – vom beruflichen Status aus betrachtet – hinter ihren männlichen Kollegen zurückbleiben. Dass Frauen sagen: „Eine formal hohe Position strebe ich nicht an, den Stress tue ich mir nicht an“ hört man häufig. „Aber“, so Ulrike Maercks-Franzen, „viele können auch nicht anders und müssen ihre Priorität auf die Familie legen. Die gesellschaftlichen Bedingungen sind nicht so, dass sie beides – Kinder und Beruf – gleichzeitig gleichberechtigt machen können.“ Doch selbst, wenn viele individuelle, familiäre Lösungen fänden: Das reiche nicht aus. Generell müsse Gleichberechtigung gesellschaftlich gelöst werden. „Wir wollen alles: Beruf, Familie, Politik. Alle drei Teile gehören zu einem kompletten Leben“, appellierte die Gewerkschafterin.
Bis Journalistinnen dies in großem Stile für sich einfordern, bedarf es noch eines Bewusstseinswandels, war sich Tina Groll sicher. Wenn Frauen merken, dass es schwierig wird, würden sie dazu neigen zu sagen: „Ich komm‘ vielleicht gar nicht dahin, dann sag ich lieber, ich will‘s auch gar nicht“, hat Groll beobachtet. „Es gibt da im individuellen Bereich Argumentationslinien, die ganz schwer zu entwirren sind.“ Dagegen helfen könne nur, junge Frauen schon in der Ausbildung zu ermutigen, ihren Weg zu gehen. „Traut euch das zu“, so ihr Aufruf. „Es ist ja auch geil, Chefredakteurin zu sein.“