Presserat behandelte Beschwerden und erteilte elf Rügen

Der Deutsche Presserat hat auf seinen Beschwerdeausschuss-Sitzungen in der vergangenen Woche insgesamt elf öffentliche Rügen, 14 Missbilligungen und 39 Hinweise ausgesprochen. Das Gremium der Selbstkontrolle der Presse war wegen vermeintlicher Verstöße gegen den Pressekodex unter anderem im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Silvester-Übergriffe von Köln, über das Paris-Attentat sowie über das Zugunglück in Bad Aibling angerufen worden.

Als unangemessen sensationell rügte der Presserat die Veröffentlichung eines Augenzeugen-Videos vom Zugunglück in Bad Aibling in der Online-Ausgabe der Münchener „Abendzeitung“. Ein mehrminütiges Video, das unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Züge aufgenommen worden war, zeigte chaotische Szenen mit verletzten Menschen, zu hören waren Schmerzensschreie. Mit Blick auf das Leid der Betroffenen und Hinterbliebenen ist die Darstellung nach Ansicht des Beschwerdeausschusses presseethisch nicht akzeptabel. Die Rüge erfolgte wegen Verletzung der Richtlinie 11.3 (Unglücksfälle und Katastrophen) des Pressekodex’.

Beschwerden zu den Übergriffen von Köln

Als unbegründet erachtete der Beschwerdeausschuss 14 Beschwerden im Zusammenhang mit dem „Focus“-Cover „Frauen klagen an“, das die Übergriffe von Köln thematisiert und von Beschwerdeführern als sexistisch und rassistisch eingeschätzt wurde. In Printausgabe und Online zu sehen war eine nackte Frau mit schwarzen Handabdrücken auf ihrer Haut. Der Ausschuss erkannte hingegen in dem Titel keine herabwürdigende Darstellung von Frauen. Auch die Grenze der Diskriminierung (Ziffer 12) sah er nicht überschritten. Die Abbildung sei nicht eindeutig in eine Richtung interpretierbar, die Veröffentlichung deshalb vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. 
Dem Presserat hatten insgesamt 31 Beschwerden zu den Vorfällen von Köln vorgelegen. Sie wurden – teilweise schon im Vorverfahren – sämtlich als unbegründet bewertet.


Opferschutz und Paris-Attentat

Eine Rüge erteilten die Beschwerdeausschussmitglieder dagegen „Bild Online“ für die Darstellung von Opfern des Attentats von Paris. Unter der Überschrift „Die Geschichten der Opfer“ hatte die Redaktion Porträtbilder der Getöteten veröffentlicht, angereichert mit persönlichen Details aus dem Lebenslauf. Der Ausschuss stellte einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Opferschutz nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex’ fest.

Als Dokument der Zeitgeschichte bewertete der Ausschuss hingegen das Foto, welches die Szenerie in der Konzerthalle „Bataclan“ nach dem Anschlag abbildet. Es zeigt eine Gesamtansicht des Tatorts. Zu sehen sind Leichen, die inmitten von Blutlachen auf dem Boden liegen. 64 Leser hatten sich über die Darstellung in „Bild“ und „Bild Online“ beschwert. Der Ausschuss kam zu dem Schluss, dass die Aufnahme schockierend ist. Obwohl es sich um einen „Grenzfall“ handele, sei das öffentliche Interesse an dem Terroranschlag und seinen schrecklichen Folgen hier in der Gesamtschau jedoch höher zu bewerten als der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen.

Gerügt wurden „BILD“ und „BILD Online“ wegen ihrer Berichterstattungen über die Mordfälle Elias und Mohamed. Es waren Fotos der getöteten Jungen gezeigt worden, die zuvor im Rahmen der Suche nach den Kindern zu sehen gewesen waren. Der Ausschuss sah in der erneuten Veröffentlichung der Fotos nach Abschluss der Fahndung den Schutz der Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Verbrechensopfer verletzt (Richtlinie 8.2).

Eine Rüge sprach der Beschwerdeausschuss auch gegen „Bild am Sonntag“ aus. Das Blatt hatte unter der Überschrift „Schwangere erschlagen, in Donau geworfen“ Fotos der Ermordeten verwendet, die von ihrem Facebook-Profil stammten. Dagegen hatte sich die Mutter der Getöteten gewandt. Der Ausschuss sah im Abdruck der Bilder einen Verstoß gegen den Opferschutz (Richtlinie 8.2). Danach können Fotos und Namen nur veröffentlicht werden, wenn die Angehörigen zugestimmt haben. Allein der Umstand, dass die Fotos auf Facebook verfügbar waren, rechtfertigt nicht die Verwendung in der Berichterstattung.

Mangelnde Trennung von Redaktion und Werbung

Weitere Beschwerden betrafen die mangelnde Trennung von Werbung und Redaktion. So ergingen zwei Rügen gegen „Focus Online“. In einem Fall hatte das Medium in einem Video über Technik-Sonderangebote eines großen Discounters berichtet. Dabei wurden auch die originalen Werbeanzeigen des Unternehmens eingeblendet. Der Beschwerdeausschuss sah das Präsentieren ausschließlich der Angebote eines Discounters als Schleichwerbung im Sinne von Richtlinie 7.2 des Pressekodex.
Das gelte auch für einen weiteren Beitrag des Online-Mediums, der die Wirkungsweise eines Erkältungsmedikaments darstellte. Durch die werbliche Sprache und Bildgestaltung sowie die Beschränkung auf das Präparat eines bestimmten Herstellers werde die Grenze zur Schleichwerbung überschritten (Richtlinie 7.2).

Gerügt wurde in diesem Zusammenhang auch ein Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sowie ihrer Onlineausgabe unter der Überschrift „Schönschreiben mit Federhaltern“. Der Ausschuss wertete die ausführliche und ganz überwiegend positive Besprechung der Fabrikate eines einzigen Herstellers ohne ersichtliche Alleinstellungsmerkmale als Schleichwerbung.

Eine Rüge erhielt auch das Portal „Netmoms.de“. Dort war ein durchweg positiver Artikel über die Bachblütentherapie erschienen, der von einem Hersteller homöopathischer Präparate stammt. Der Ausschuss sah in der Überschrift „präsentiert von …“ keine ausreichende Kennzeichnung, dass dieser Beitrag gesponsert wurde und rügte einen Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex.

Die Zeitschrift „TV Hören und Sehen“ erhielt ebenfalls eine Rüge wegen Schleichwerbung (Richtlinie 7.2). Die Zeitschrift hatte einen Beitrag über ein Abnehm-Präparat veröffentlicht, der als Interview mit dem Hersteller aufgemacht wurde. Der Beschwerdeausschuss kam zur Ansicht, dass durch diese Aufmachung eine neutrale bzw. kritische Berichterstattung suggeriert wird. Die unkritische Darstellung des Produkts und die anpreisenden Formulierungen lösen dieses Versprechen aber nicht ein.

 

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