Sport und Medien sind aufeinander angewiesen. Tore, Punkte und Rekorde bescheren den Sendern hohe Quoten. Sportler, Klubs und Verbände profitieren von TV- und Sponsorengeldern. Die dunkle Seite dieses Milliardengeschäfts: Korruption und Doping. Wie stehen in dieser Gemengelage die Chancen für eine unabhängige Berichterstattung?
Um diese und andere Fragen kreiste die Tagung „Alles in Bewegung? Sport, Business und Medien“ am 13. September in Frankfurt am Main. Veranstalter waren das Grimme-Institut und die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und Neue Medien.
Live-Fußball vom Feinsten hatte der Spartensender Eurosport seinen Kunden versprochen. „Bei Amazon Prime Video sehen Prime-Mitglieder Spitzensport im Eurosport-Player“, hieß es vollmundig. Doch für Eurosport begann der Einstieg ins Bundesliga-Pay-TV mit einem Flop. Gleich bei den ersten beiden Freitagspielen sahen die Nutzer des kostenpflichtigen Eurosportplayers schwarze Bildschirme und Pixelsalat statt Tore. „Grundsätzlich bedauern wir das natürlich am allermeisten, dass es am 25.8. überhaupt nicht funktioniert hat“, zeigte sich Stephanie Struppler von der Konzernmutter Discovery Networks zerknirscht angesichts der Pannenserie. „Die Leute wollen ihr Live-Erlebnis und sehen dann ein durchaus unschönes Bild, das geht nicht, wir arbeiten da mit Hochdruck dran.“
Asiatische Blogger first?
Im Bestreben, mehr TV-Gelder zu kassieren, hat die Deutsche Fußball-Liga die Rechte weiter zerteilt. Für die Live-Übertragung kamen gleich drei Anbieter zum Zuge: Sky, der Streamingdienst DAZN und, tja, Eurosport. ARD und ZDF begnügen sich weiterhin mit der Highlight-Berichterstattung. Denn in Zeiten knapper Kassen sind die Ausgaben der Sender für attraktive Sportrechte längst gedeckelt. Das Nachsehen bei dieser aggressiven Vermarkungsstrategie der DFL hat der Verbraucher, haben die Fans. Denn für die wird der Live-Fußball jetzt richtig teuer. Zumindest, wenn sie alle Spiele sehen wollen. Sky-Abo, Eurosport-Player, DAZN-Streaming – das schlage im Jahr mit rund 800 Euro zu Buche, rechnete Alexander Krei, Redakteur beim Branchendienst DWDL.de, vor: „Das muss man sich leisten können.
Längst haben die Profi-Klubs eigene Medienabteilungen aufgebaut, betreiben Vereins-Fernsehen und füttern soziale Netzwerke mit PR-Meldungen. Harald Stenger, Ex-Sportchef der Frankfurter Rundschau und Ex-Sprecher des Deutschen Fußballbundes, sieht diese Entwicklung mit Unbehagen. „Besteht nicht die Gefahr, dass der Service-Charakter der früheren Pressestellen zunehmend leidet oder bewusst vernachlässigt wird, besonders bei kritischen Rückfragen?“ fragte er. Bloggende Journalisten in China, so heißt es, bekommen heutzutage leichter ein Interview mit einem prominenten Kicker von – sagen wir – Bayern München als die Sportredaktionen angesehener deutscher Tageszeitungen. Da mögen vor allem Marketinggesichtspunkte eine Rolle spielen.
Erbitterter Kampf um die schnelles News
Von den Vereinskanälen kritische Klubinterna zu erwarten wäre wohl reichlich naiv. Klaus Filbry, Geschäftsführer von Werder Bremen, gab den Schwarzen Peter an die Medien zurück. Diese lieferten sich vor allem im Netz einen erbitterten Kampf um die schnelle News. Dieses Rattenrennen arte in bisher nicht erlebte Zustände aus. Mittlerweile gebe es keine Neuigkeiten oder Gerüchte mehr, „die nicht geschrieben oder aufgenommen und innerhalb von fünf Minuten zehnfach verbreitet werden, obwohl es Null Wertigkeit hat“, klagte er. Speziell der regionale „Weser-Kurier“ gehe derzeit sehr aggressiv vor. „Alles, was die BILD-Zeitung schreibt, ist zwei Minuten später im Netz.“
Investigativreporter wie Hajo Seppelt interessiert derlei kurzatmige Sportberichterstattung eher wenig. Der preisgekrönte Mitarbeiter der ARD-Doping-Redaktion setzt vielmehr auf gründliche Recherche in den mit krimineller Energie infizierten Bereichen des Leistungssports. „Der Sport ist eigentlich eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“, so Seppelt, „der einzige, der Spielverderber ist, ist der investigative Journalist, möglicherweise die Staatsanwaltschaft, wenn es denn entsprechende Gesetze gibt“.
Investigatives als Feigenblatt
Zum Beispiel Doping: Von den illegal gepuschten Leistungen der Sportler profitieren Sender, Verbände, Manager, Sponsoren und nicht zuletzt der dopende Sportler selbst – wenn nichts herauskommt: über die Quote, über TV-Einnahmen, über satte Prämien – alle Akteure sind Nutznießer in einem Business, das Milliarden umsetzt. Investigative Reporter störten den reibungslosen Ablauf der Geschäfte, sagt Seppelt. Selbst in den Sendern stoße seine Arbeit nicht immer auf ungeteilte Anerkennung. Denn zu viel Kritik und Aufklärung über das kriminelle Umfeld des Profisports „beschädigt das Produkt“.
Lob für Seppelt kam vom neuen ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann, der für seinen Sender in Sachen investigative Berichterstattung durchaus Nachholbedarf zugab. Auch das Zweite wolle da künftig mehr machen. Allerdings: „Ich würde jetzt nicht anfangen, um 20:15 oder 20:30 Uhr eine Doping-Recherche ins Programm zu heben, sondern es muss da ein vernünftiges Maß und Mitte geben.“
Die meisten kritischen Sport-Dokus und -Reportagen landen daher im vormitternächtlichen Programm-Ghetto. Investigatives als Feigenblatt? Keineswegs, versichern auch öffentlich-rechtliche Senderverantwortliche, aber die Fans stünden nun mal mehr auf aktuellen Sport und Live-Berichterstattung.