Für all jene, die sich für linke politische Zeitgeschichte interessieren, dürfte sich ein Besuch in der MedienGalerie in Berlin lohnen: Rund 40 politische Plakate aus dem Nachlass von Michael Maercks zeigen, was in den 70er-Jahren in Westdeutschland auf der linken Agenda stand und wie dafür geworben wurde. In der Mehrzahl der Exponate handelt es sich um Wahlplakate der 1968 in Westdeutschland gegründeten DKP. Zu sehen sind aber auch Plakate des Marxistischen Studentenbundes Spartakus (MSB) und der Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF).
„Rot ist mehr als eine Farbe“, ist der Titel der Ausstellung, die zurzeit in der MedienGalerie in Kreuzberg zu sehen ist. Die Plakate stammen aus der privaten Sammlung von Michael Maercks, der im Februar dieses Jahres verstorben ist. Ausgewählt hat die Plakate seine Frau Ulrike Maercks-Franzen, die seit 1970 den privaten und politischen Weg gemeinsam mit ihm ging.
Die Idee zur Ausstellung sei recht spontan entstanden, erzählt Maercks-Franzen, die von 2002 bis 2011 dju-Bundesgeschäftsführerin war, bei einem Rundgang anlässlich der Eröffnung. Eine andere Schau sei kurzfristig ausgefallen. „Wir saßen hier im Galerierat vor leeren Wänden. Und weil ich zurzeit den Nachlass meines Mannes aufarbeite, entschieden wir uns, die schönsten Exemplare aus unserer gemeinsamen Plakatsammlung zu zeigen.“ Für sie eine gute Gelegenheit, an ihren Mann und sein politisches Vermächtnis zu erinnern. „Michael und ich haben seit unserem Kennenlernen im Jahr 1970 politische Plakate gesammelt.“ So konnte sie aus insgesamt rund 130 Plakaten 40 Exponate auswählen.
Die MedienGalerie zeigt ausschließlich Originale, die teilweise recht deutliche Gebrauchsspuren tragen – was die Ausstellung aber umso authentischer macht. „Manche Plakate hingen an den Wänden unserer verschiedenen Wohnungen und haben mehrere Umzüge überstanden“, so Maercks-Franzen. Mit der Auswahl wolle sie nicht den Anspruch erheben, die Entwicklung der DKP in den 70er-Jahren lückenlos zu dokumentieren. „Ich habe die Plakate genommen, die uns besonders gefallen haben.“ Zusammengetragen hat das Paar die Stücke bei Plakatierungsaktionen, bei Infoständen und Veranstaltungen.
Lebensgefühl der linken Szene in Westdeutschland
Mit wenigen Ausnahmen wurden die Plakate nie in Berlin eingesetzt. Sie spiegeln vor allem das politische Lebensgefühl, das die linke Szene im Westdeutschland der 70er-Jahre prägte. Das älteste Plakat entstand für den Bundestagswahlkampf 1969. Anlass sei der Versuch der NPD gewesen, erstmals in den Bundestag einzuziehen. „Dagegen hatte sich ein Bündnis verschiedener linker Kräfte als Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF) firmiert und war zur Wahl angetreten.“ Mit nur mäßigem Erfolg, wie Maercks-Franzen zugibt: Gerade einmal 0,6 Prozent der Stimmen konnte die ADF gewinnen. Bei den späteren Exponaten handelt es sich meist um Wahlkampfplakate der DKP. „Sie konnte lokal in einigen Städten teilweise beachtliche Erfolge erzielen.“
An die Gründung des MSB, an der auch Michael Maercks und Ulrike Maercks-Franzen beteiligt waren, erinnert ein besonders schönes Plakat mit einem verzweigten Baum, aus dessen Krone das Gesicht von Karl Marx hervorschaut. Ein grafisch sehr gelungenes Wahlplakat mit der Aufschrift „Rot ist mehr als eine Farbe“ führte zum Titel der Ausstellung. Auf einem weiteren Plakat ist eine vollbusige Blondine mit dem Claim „Wähl mich“ zu sehen. Heute würde es einen Aufschrei der Empörung hervorrufen, in den 70er-Jahren wurden auf diese Weise wichtige DKP-Wahlkampfforderungen formuliert: Volljährigkeit ab 18, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Mitbestimmung in Schule und Betrieb.
Mehrere Plakate belegen auch, welchen Zuspruch die DKP seinerzeit bei Künstler*innen hatte und bei Menschen, die im Kulturbereich arbeiteten. „Hannes Wader hat in seiner Biografie geschrieben, dass man damals, um als Künstler ernst genommen zu werden, in der DKP sein musste“, sagt Maercks-Franzen.
Verschiedentlich wird die Nähe der DKP zur DDR deutlich: So wird beispielsweise auf einem von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Plakat die Berliner Straße „Unter den Linden“ als „Straße zum Sozialismus“ dargestellt: Sie führt geradewegs zum Palast der Republik. Weitere Themen sind etwa die Kampagne gegen die Verhaftung der schwarzen amerikanischen Bürgerrechtlerin Angela Davis oder – aus der Münchner Zeit von Michael Maercks und Ulrike Maercks-Franzen – die Seeuferaktionen, in denen die DKP das verfassungsmäßige Recht auf einen uneingeschränkten Zugang zu den oberbayerischen Seeufern forderte. Denn oft genug war (und ist) dieser nicht gegeben, weil reiche Grundstückseigentümer die Ufer versperren. Hier wird deutlich, wie sich Geschichte wiederholt, hat man doch in Potsdam nach der Wende Ähnliches erlebt.
Und schließlich gibt es auch eine internationale Ecke: Hier wenden sich Plakate gegen den Vietnamkrieg, gegen rechte Diktaturen in Griechenland, Chile und Spanien und bekennen sich zur internationalen linken Solidarität.
Die Ausstellung ist noch bis zum 12. August zu sehen in der ver.di-MedienGalerie (Dudenstr. 10, 10965 Berlin, U-Bhf. Platz der Luftbrücke). Die Galerie ist dienstags und donnerstags jeweils von 14:00 bis 18:00 Uhr geöffnet, Tel.: 030 / 88 66 54 02.