Sorge um Pressefreiheit in Osteuropa

Ohne Berichterstatter*innen gäbe es diese Bilder nicht. Minsk 13. Dezember 2020: Anhänger der Opposition tragen historische weiß-rot-weiße Flaggen von Belarus, als sie an einer Kundgebung teilnehmen, um gegen die Präsidentschaftswahlen in Weißrussland zu protestieren. Foto: pictures alliance/Reuters

„Journalistinnen und Journalisten stehen In vielen Ländern Osteuropas unter enormem Druck von Regierungen. Von Pressefreiheit kann angesichts von Repressalien wie Klagen, Bedrohungen und Inhaftierungen keine Rede mehr sein. Dabei machen die Journalist*innen einfach nur eins – ihre Arbeit“, betont Tina Groll, Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, anlässlich der Verleihung der Free Media Awards 2024 für Medienschaffende in Osteuropa heute norwegischen Nobel-Institut in Oslo.

Die norwegische Stiftelsen Fritt Ord vergibt die Free Media Awards jährlich zusammen mit der deutschen Zeit-Stiftung Bucerius und zeichnet Medienschaffende in Osteuropa für ihre Arbeit unter schwierigen Bedingungen aus. Damit soll die unabhängige Berichterstattung in Osteuropa gestärkt werden und Medienschaffende ermutigen, ihre Arbeit trotz Bedrohung und gewaltsamer Unterdrückung fortzusetzen. Preisträger sind in diesem Jahr Nastasia Arabuli (Journalistin aus Georgien), Szabolcs Panyi (Journalist und Redakteur aus Ungarn), Bihus.Info, ein journalistisches Kollektiv aus der Ukraine, Abzas Media, eine Nachrichtenplattform aus Aserbaidschan. sowie der derzeit inhaftierte russische Journalist Mikhail Afanasiev und die derzeit inhaftierte Larysa Shchyrakova, freiberufliche Journalistin aus Belarus.

„Diese Unterstützung für Journalist*innen durch die beiden Stiftungen begrüßen wir. Wir alle müssen den Finger immer wieder in die Wunde – dem Erhalt der freien Presse – legen. Nur so funktioniert auch die Demokratie in ganz Europa“, sagt Groll. Ein besonderes Augenmerk lenkt die dju-Bundesvorsitzende auf die Situation in Belarus: Seit dem mutmaßlich gefälschten Wahlergebnis im September 2020 und den laufenden Protesten wurden unter dem belarussischen Präsidenten und Diktator Alexander Lukaschenko allein 34 Journalist*innen unter fadenscheinigen Begründungen inhaftiert und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Groll: „Laut Reporter ohne Grenzen ist Belarus das gefährlichste Land in Europa für Journalist*innen.“

„Ein besonders trauriges Beispiel ist Larysa Shchyrakova, freie Journalistin und alleinerziehende Mutter eines Sohnes. Deshalb freuen wir uns, dass sie eine der Preisträgerinnen ist“, erklärt Tina Groll. 2022 wurde Larysa Shchyrakova verhaftet, seitdem sitzt sie im Gefängnis. Der Vorwurf: Sie habe Desinformation im Internet verbreitet und diskreditiere Belarus. Die belarussischen Behörden stufen sie infolgedessen als „extremistisch aktiv“ ein. Ein Gericht verurteilte sie zu dreieinhalb Jahren Haft in einer Strafkolonie. Dabei hatte Shchyrakova ihre journalistische Tätigkeit aufgrund von massiven Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen ein Jahr zuvor bereits beendet – auch, um ihren Sohn und die Familie zu schützen.

Auch die belarussische Journalist*innen-Gewerkschaft BASH wurde durch das Lukaschenko-Regime verboten. „Die Kolleg*innen konnten nach der Schließung ihres Büros in die litauische Hauptstadt Vilnius fliehen, ihre Arbeit und Unterstützung für die Gewerkschaftsmitglieder, die inhaftierten und im Exil lebenden Journalist*innen fortsetzen“, so die dju-Vorsitzende. Die dju fordert die Freilassung der 34 Journalist*innen in Belarus – aber auch in anderen Ländern Osteuropas.

Free Media Awards 2024 – die Auszeichnungen für unabhängige Berichterstattung:

Larysa Shchyrakova wurde im Herbst 2023 in Belarus zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihr sei vorgeworfen worden, durch die Verbreitung von Desinformationen im Internet angeblich Belarus diskreditiert und Extremismus gefördert zu haben. In ihrer Arbeit als freiberufliche Journalistin rücke sie vor allem die vergessenen Opfer der stalinistischen Unterdrückung ins Rampenlicht.

Mikhail Afanasiev erhalte den Award für seine Berichterstattung aus Sibirien. Seit Gründung des Online-Magazins „Novy Fokus“ vor 20 Jahren habe er sich auf dem Gebiet des investigativen Journalismus in einer Region hervorgetan, die von haltloser Korruption geprägt sei. Im Herbst 2023 wurde er von einem russischen Gericht zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er seine Position dazu genutzt haben soll, falsche Informationen über die russische Armee zu verbreiten. Tatsächlich habe er einen Bericht über Mitglieder der russischen Nationalgarde veröffentlicht, die sich weigerten, in der Ukraine zu kämpfen.

Nastasia Arabuli habe die Machtstrukturen in ihrem Heimatland wirksam infrage gestellt, indem sie Machtmissbrauch aufdeckte, hieß es. Zudem habe sie an einer Untersuchung von sexuellem Missbrauch junger Frauen in der georgisch-orthodoxen Kirche mitgewirkt. Sie gelte als eine der entschiedensten Verfechterinnen der Rechte von LGBTQ+-Menschen in Georgien.

Szabolcs Panyi berichtet über Korruption, nationale Sicherheit, Außenpolitik sowie den Einfluss Russlands und Chinas in Mittel- und Osteuropa. Im Vorwege der slowakischen Präsidentschaftswahlen habe er auf die russische und ungarische Einmischung in die slowakische Politik aufmerksam gemacht.

Kollektiv Bihus.Info aus der Ukraine werde für seine Antikorruptionsrecherchen und die akribische Dokumentation von Kriegsverbrechen, nicht zuletzt unmittelbar von der Front, ausgezeichnet.

Die unabhängige aserbaidschanische Plattform Abzas Media erhalte den Award für ihren entschlossenen und systematischen Investigativjournalismus. Das Medienunternehmen sei heute vor allem für seine Berichterstattung über staatliche Korruption bekannt. „Abzas Media“ habe außerdem wiederholt Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan aufgedeckt.

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