Filmtipp: Türkei – ein Jahr nach dem Putsch

BIld: aus der Dokumentation „Stunde Null - Wohin steuert die Türkei?“ von Erdal Buldun

Am 11. Juli widmet sich ein Arte-Themenabend mit drei Filmen den Konsequenzen des Putschversuchs in der Türkei vor einem Jahr und der nachfolgenden Repressalien des Erdogan-Regimes für Zigtausende Intellektuelle, darunter auch viele Journalistinnen und Journalisten. Eröffnet wird die Reihe mit einem Film, an dem auch Can Dündar, Ex-Chefredakteur der linksliberalen Zeitung Cumhuriyet, beteiligt war.

Er wurde zum Symbol für den Kampf um Pressefreiheit und Demokratie in der Türkei, der Journalist Can Dündar. Jetzt hat er gemeinsam mit der deutschen Autorin Katja Deiß einen Film gedreht, dessen Titel für viele Tausend Menschen seit einem Jahr bittere Realität geworden ist. „Exil Deutschland – Abschied von der Türkei“ lautet er. Mit ihm startet der Arte-Themenabend am 11.Juli. Die drei Filme, die der Sender an diesem Tag ausstrahlt, verdeutlichen, wie der Putschversuch und die Reaktion des türkischen Regimes das Leben von vielen Menschen in der Türkei mit einem Schlag veränderten. Sie, die schon vorher in Opposition zum Regime standen, wurden aus ihren Lebens- und Arbeitszusammenhängen herausgerissen, landeten im Gefängnis, mussten untertauchen oder ins Exil gehen.

In dem Film von Dündar und Deiß werden vier türkische Intellektuelle und ihr Umgang mit der Repression vorgestellt. Die Wissenschaftlerin Latife Akyüz wurde von den staatlichen Medien als Terroristin diffamiert. Doch schlimmer für sie war, dass sich viele ihrer Freunde von ihr lossagten. „Keiner hat sich getraut, was zu sagen“, so ihre Erfahrung. Doch der Film macht auch deutlich, dass selbst der repressive Staat mit Umsicht und Kreativität überlistet werden kann. Weil weder Dündar noch Deiß in die Türkei reisen konnten, wurden die Szenen vor Ort von einem türkischen Kamerateam gedreht. Dieses begleitete auch die Ehefrau von Musa Kart. Der Karikaturist der Zeitung Cumhuriyet sitzt seit Monaten in Einzelhaft im Gefängnis. Jetzt vermittelt der Film einen Eindruck, wie die Angehörigen in dem Klima der Angst und Einschüchterung leben, aber auch weiterkämpfen.

Einen trotz allem optimistischen Ausblick vermittelt der Regisseur Imre Azem in dem Film „Türkei: Ringen um Demokratie“, der ebenfalls erstmals im Rahmend es Arte-Themenabends am kommenden Dienstag ausgestrahlt wird. Darin kommen Menschen zu Wort, die trotz der Repression in der Türkei bleiben wollen. In der Kampagne für ein ‚Nein‘ zum Referendum, mit dem Erdogan den autoritären Staatsumbau vollenden will, schöpften sie wieder Hoffnung. Als sich Erdogan dann nur dank Wahlbetrug knapp durchsetzen konnte, waren die Gesichter der Aktivisten zunächst vor Entsetzen erstarrt. Doch schon wenige Stunden später hatten sie wieder Mut geschöpft. „Wenn das Regime, dem sämtliche finanziellen und staatlichen Mittel zur Verfügung standen, das alles unternahm, um die Gegner des Referendums einzuschüchtern, sich trotz massiven Betrugs nur mit einer knappen Mehrheit durchsetzen konnte, ist es sehr schwach“, erklärte der Regisseur Imre Azem bei der Vorstellung des Films kürzlich in Berlin. Wenige Tage später reiste er wieder zurück in die Türkei, um die aktuellen Proteste der Opposition zu dokumentieren. Dabei ist ihm bewusst, dass er nach der Ausstrahlung des Films mit Repressalien rechnen muss. „Die staatlichen Medien werden mich als feindlichen Spion beschimpfen“, so seine realistische Einschätzung.

Die Arte-Reihe endet mit der Dokumentation: „Stunde Null- Wohin steuert die Türkei?“ von Erdal Buldun. Der Themenabend könnte dazu beitragen, dass nicht mehr nur der Name Deniz Yücel genannt wird, wenn es um Repression und Verfolgung in der Türkei geht. Das dürfte wohl auch ganz in seinem Sinne sein. Yücel hatte in einen Brief aus seinem Gefängnis dazu aufgerufen, seine vielen verfolgten Kolleg_innen ohne deutschen Pass nicht zu vergessen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »

Ver.di fordert Big-Tech-Regulierung

Durch die problematische Verquickung von politischer, medialer und ökonomischer Macht sind die dominierenden Online-Plattformen längst nicht mehr neutrale Mittler diverser Inhalte, sondern werden selbst zum kuratierenden Medium. Der Raum für Machtmissbrauch in Form politischer Einflussnahme oder Desinformation ist immens. Um die Resilienz unserer Demokratie vor einer autoritären Übernahme zu stärken, besteht akuter Handlungsbedarf.
mehr »