Guatemala: Feldzug gegen „elPeriódico“

Die Ende November 2022 geschlossene Druckerei von "elPeriódico". Foto: "elPeriódico"

Die 1996 gegründete Zeitung „elPeriódico“ gilt in Guatemala als Flaggschiff des investigativen Journalismus. Hunderte von Korruptionsfällen hat die einst 150-köpfige Redaktion aufgedeckt, den Regierenden auf die Finger und so manchem Unternehmer in die Bilanzen geschaut. Das könnte bald vorbei sein. Die Justiz ermittelt wegen Geldwäsche gegen Zeitungsgründer José Rubén Zamora, der seit fast neun Monaten in Haft ist. Am 2. Mai wird sein Prozess fortgesetzt. Alle Konten der Tageszeitung wurden eingefroren. Derzeit versucht ein kleiner Kreis engagierter Journalisten das Blatt am Leben zu halten. 

Das Wort Aufgeben existiert im Wortschatz von Julia Corado nicht. „Wir brauchen kritische Medien in Guatemala, wir brauchen investigative Recherchen. Dafür steht ‚elPeriódico‘ und ich fühle mich verpflichtet weiterzumachen – für die Zeitung und für Guatemala.“ Seit 2003 arbeitet sie in der Redaktion, der bis zum vergangenen November rund 150 Journalist*innen angehörten. Hunderte von Reportagen, Hintergrundberichten und Interviews über Korruption, Klientelismus und Vetternwirtschaft im politischen Establishments des Landes haben die Reporter*innen des unbequemen Blattes veröffentlicht und sich so etliche Feinde gemacht. 

Allen voran der Gründer und preisgekrönte Journalist José Rubén Zamora. Fünf Tage vor seiner Verhaftung erschien noch eine große Geschichte, die weitaus mehr lieferte als nur Indizien für Korruption im Umfeld des Präsidenten Alejandro Giammattei. Der erzkonservative Chirurg, der erst im vierten Anlauf in der Casa Presidencial im historischen Zentrum Guatemalas einziehen konnte, gilt schon lange als korrupt. Aufklärung darüber hatte der 67-jährige aber immer wieder zu unterdrücken versucht – mit juristischen Mitteln, mit verbalen Attacken, aber auch mit der Kriminalisierung seiner Gegner durch eine willfährige Justiz.

443 Angriffe auf Journalist*innen

Bekanntestes Beispiel ist die Flucht des Staatsanwalts Juan Francisco Sandoval, Leiter der Staatsanwaltschaft für Korruptionsdelikte (FECI), vor knapp zwei Jahren in die USA. Er sei in Guatemala nicht mehr sicher gewesen, habe Ermittlungen gegen sich selbst befürchten müssen. Das ist in den letzten Jahren auch immer öfter Journalist*innen passiert, so die Menschenrechtsorganisation Udefegua. Sie hat Ende März ihren Jahresbericht veröffentlicht, in dem 443 Angriffe auf Berichterstatter*innen dokumentiert sind. Alarmierend sei, dass immer mehr Angriffe von staatlichen Institutionen kämen. 

Darunter auch der Frontalangriff auf „elPeriódico“, der mit der Verhaftung von José Rubén Zamora durch ein Spezialkommando in seinem Haus in der zwölften Zone von Guatemalas Hauptstadt begann. Der Vorwurf der Staatsanwalt für Korruptionsdelikte (FECI) lautete: Geldwäsche, Vorteilsnahme und Erpressung. Zuletzt wurde mit der angeblichen Behinderung der Justiz noch ein weiterer Anklagepunkt hinzugefügt. 

„Am 30. November 2022 verließ die letzte Printausgabe die Druckerei, 140 Redakteur*innen verloren am gleichen Tag ihren Arbeitsplatz – ohne dass es einen einzigen konkreten Beweis für Geldwäsche gibt“, kritisiert Redaktionsleiterin Corado. Sie hält die Restredaktion zusammen, versucht, das renommierte Blatt über Wasser zu halten – bis Zamora aus der Haft entlassen wird. Das kann dauern. Der Journalist betrachtet sich als „politischen Gefangenen“ und vermutet hinter der Attacke gegen die Tageszeitung den Präsidenten persönlich. Eine Einschätzung, die Héctor Reyes, Direktor des Menschenrechtszentrums CalDH teilt. Allerdings ist er sich sicher, dass auch etliche Unternehmen, Militärs und dutzende korrupte Politiker das Ende von „elPeriódico“ begrüßen würden. „Man will verschleiern, was in Guatemala passiert. Wir haben es mit einer immer diktatorischer agierenden Regierung zu tun, die die Justiz als ein willfähriges Instrument benutzt.“

RSF: Unabhängige Presse im Visier

Eine Einschätzung, die auch Reporter ohne Grenzen (RSF) teilt. „Die Regierung Giammattei hat nach Staatsanwälten und Richter*innen nun die unabhängige Presse im Visier, die Korruptionsfälle aufdeckt. Damit beweist sie, wie weit sie inzwischen in den Autoritarismus abgedriftet ist“, kritisiert RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. Jüngstes Beispiel sei die Einleitung von Ermittlungen wegen der Verbreitung von Falschinformationen gegen neun derzeitige und ehemalige „elPeriódico“-Mitarbeiter*innen. Das hat international Kritik hervorgerufen. 

„Neu ist jedoch, dass solche Kritik selbst aus dem US-Außenministerium oder der Interamerikanischen Menschenrechtskommission keinerlei Reaktionen hervorruft“, sagt Redaktionsleiterin Corado. Froh ist sie, dass investigative Online-Medien wie „Plaza Pública“, „No Ficción“, „Prensa Comunitaria“ sich solidarisch verhalten und es internationale Förderung für eine Fakten-Check-Homepage im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 25. Juni gibt. Die dazugehörige Homepage „La Linterna“ ist online und auch schon mit der „elPeriódico“-Homepage verlinkt. 

Doch finanziell steht der Redaktion das Wasser bis zum Hals. „Dafür ist der Staat mitverantwortlich. Wir wissen, dass Druck auf potentielle Anzeigenkunden ausgeübt wird“, kritisiert Corado das Vorgehen der staatlichen Institutionen. Deren Ziel scheint klar: die Beseitigung der Redaktion der Unbequemen.

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