Kritische Berichte in der Türkei verhindert

Nach dem tödlichen Erdbeben in Antakya in der Türkei am 19. Februar 2023. Foto: Reuters/Nir Elias

Reporter ohne Grenzen (RSF) ist empört, dass die türkischen Behörden sogar nach einer Katastrophe wie dem Erdbeben vom 6. Februar Medienschaffende behindern, festnehmen und auf andere Arten schikanieren. Zu den Verletzungen der Pressefreiheit gehörten physische Gewalt, Festnahmen, Gerichtsverfahren, Verfolgung im Netz und die Einschränkung von Twitter sowie anderer Online-Zugänge. Medienschaffende würden beschuldigt, „die Polizei oder den Staat zu diffamieren“. Es werde immer deutlicher, dass das Regime versucht, die Berichterstattung über die Katastrophe und die Reaktion der Behörden zu kontrollieren.

„Die türkischen Behörden dürfen die Tragödie nicht ausnutzen, um die Pressefreiheit noch weiter einzuschränken. Die zahlreichen Angriffe, Festnahmen und Einschüchterung gegen Medienschaffende sind alarmierend. Sie müssen sofort aufhören. Reporterinnen und Reporter, die zurzeit in die verwüsteten Gebiete fahren, tun nur ihre Arbeit und das unter schrecklichen Bedingungen. Ihre Berichterstattung ist wichtiger denn je“, erklärt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

Allein für den 8. Februar registrierte RSF drei Fälle, in denen Medienschaffende aus fadenscheinigen Gründen hinter Gittern landeten. Mahmut Altintas, ein Reporter der kurdischen Mesopotamia Agency (MA), und Sema Caglak, eine Reporterin der Frauen-Nachrichtenseite JinNews, wurden in Birecik unter dem Vorwand festgenommen, dass sie keine offiziellen Presseausweise hätten. MA-Reporter Mehmet Güles wurde gemeinsam mit einem freiwilligen Helfer in Diyarbakir wegen des Verdachts auf „Schüren von Hass“ festgesetzt. Er wurde später zwar entlassen, steht aber weiter unter Aufsicht.

Medienschaffende berichten, dass die Polizei sie physisch angegriffen und bedroht habe: So sei Ferit Demir, ein Reporter von Halk TV, einem regierungskritischen Sender, von einem Mitglied der Anti-Terrorismus-Polizei mehrfach getreten worden, als er über den Einsatz der Regierungsbehörde für Naturkatastrophenmanagement (AFAD) in der südöstlichen Provinz Malatya berichtete.

Irem Afsin, eine Journalistin, die für ein internationales Medienunternehmen arbeitet, sagte, der Polizeichef der Provinz Urfa habe am 8. Februar versucht, sie mit den folgenden Worten einzuschüchtern: „Wenn du es wagst, schlecht über unseren Staat zu sprechen, werde ich dir den Geldhahn zudrehen, dich rausschmeißen und mich um dich kümmern.“ Sie sagte, die Polizei sei noch feindseliger geworden, nachdem Präsident Erdogan am 7. Februar den dreimonatigen Ausnahmezustand über die zehn vom Erdbeben betroffenen Städte verhängt hatte.

Auch die Beschränkungen für ausländische Medien wurden verschärft. Das Präsidialamt für Kommunikation schreibt ein Akkreditierungsverfahren für internationale Medien vor, die in die Erdbeben-Gebiete reisen und mit den Opfern sprechen wollen. Guillaume Perrier, einem bekannten Reporter der französischen Wochenzeitung Le Point, wurde am 8. Februar die Einreise verweigert. Die Begründung: Seine Berichterstattung stelle eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ dar.

Ausführlicher Bericht mit weiteren Beispielen der massiven Einschränkung der Pressefreiheit auf der Website von Reporter ohne Grenzen

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rechtsstaat lässt Journalist*innen im Stich

Mehr als siebeneinhalb Jahre nach dem schweren Angriff von Neonazis auf zwei Journalisten in Fretterode (Thüringen) im April 2018 beginnt zwei Tage vor Weihnachten am Montag, den 22. Dezember 2025 am Landgericht Mühlhausen das Revisionsverfahren gegen zwei Neonazis aus dem Umfeld von Thorsten Heise in Fretterode (Thüringen).
mehr »

Russland erklärt DW zur «unerwünschten Organisation»

Nach der gestern, am 14. Dezember 2025, bekanntgewordenen Hochstufung des deutschen Auslands-TV durch den russischen Staat von einer Auslandsagenten-Organisation zur unerwünschten Organisation fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den wirksamen Schutz von durch Sanktionen betroffenen Journalistinnen und Journalisten.
mehr »

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »