Mehr als nur ein symbolischer Akt?

China verlängert Lockerungen für ausländische Journalisten

Mit dieser Entscheidung war nicht unbedingt gerechnet worden. Ministerpräsident Wen Jiabao (Bild) unterzeichnete am 17. Oktober ein Dekret, nach dem Reporter aus dem Ausland künftig ohne behördliche Genehmigung durch das Land reisen und Interviews führen können. Ursprünglich war diese „Freiheit“ nur für die Wochen um die Olympischen Spiele herum vorgesehen. Am Tag der Verlängerung wäre die Regelung eigentlich ausgelaufen.

Entsprechend sieht man die Entwicklung bei der Internationalen Journalistenvereinigung (IFJ) vorsichtig optimistisch. „Das ist ein durchaus ermutigender Schritt in die richtige Richtung. Er öffnet die Tür für einen neuen Dialog“, meint Generalsekretär Aidan White. „Jetzt ist der Zeitpunkt günstig, alle Gesetze, die die journalistische Arbeit einschränken, zu überprüfen, ob für einheimische oder ausländische Kollegen.“ Im April hatte eine IFJ-Delegation mit Offiziellen aus Peking gesprochen und eine größere Offenheit der chinesischen Führung gegenüber den Medien angeregt (M 5/08). „Wir werden den Dialog fortsetzen“, ist Aidan White durchaus ermutigt: „Denn in China warten Zehntausende von Journalisten auf einen Wandel und auf bessere Arbeitsbedingungen.“
Auch der Verein der Auslandspresse in China (FCCC) würdigt die Entscheidung als Schritt vorwärts. Klubpräsident Jonathan Watts mahnt aber die Führung in Peking, sie müsse die Umsetzung verbessern und der Polizei sowie den regionalen Behörden die neuen Regeln und den Geist der Offenheit besser vermitteln. Denn auch während der wegen der Olympischen Spiele gelockerten Bedingungen dokumentierte der FCCC 336 Fälle, in denen Journalisten in ihrer Arbeit behindert wurden. Das geht von Einschüchterungen und bürokratischen Schikanen bis hin zur Zerstörung von Recherchematerial. Immer wieder werden zudem Reporter verfolgt, so dass auch ihre lokalen Quellen den Behörden oftmals bekannt sind. „Die Lockerung der Arbeitsregeln für Auslandskorrespondenten darf auf keinem Fall zu stärkerem Druck auf mögliche Gesprächspartner führen“, erklärt deshalb Watts, der für den britischen Guardian arbeitet. Mehrfach wurden Fälle bekannt, in denen Gespräche mit ausländischen Korrespondenten für Chinesen unliebsame Folgen hatten.
Der FCCC fordert ebenso wie „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) von der Regierung in Peking weitere Schritte. Neben der Schaffung eines Quellenschutzes ist das vor allem die Einbeziehung der bisher ausgeschlossenen Regionen wie Tibet in die neue Bewegungsfreiheit. Die erforderliche Reiseerlaubnis in diese Provinzen wird bislang eher selten erteilt. Georg Blume, China-Korrespondent von Zeit und taz, rät allen Kollegen, dennoch ruhig nach Tibet oder in die muslimisch geprägte Region Xinjiang zu fahren. Seine Begründung: „Solche Regelverstöße werden normalerweise nicht bestraft.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »

Echte Menschen in Film und Fernsehen

Wie wird Künstliche Intelligenz das Filmgeschäft verändern? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf die Kreativen? Die Erwartungen an KI sind groß, die Befürchtungen aber auch. Denn Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Stimmen oder Deepfakes erstellen. Auf der Fernseh- und Streaming - Messe MIPTV in Cannes beschäftigte das Thema die internationale Branche.
mehr »

Schlaffe Tarifangebote bei der ARD

Programmeinschnitte, Sparmaßnahmen und minimale Tarifangebote der ARD. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert die Haltung der Sender und kündigt Proteste an. Im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe es zwar erste Angebote vom Bayerischen Rundfunk (BR) und vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) gegeben. Die Angebote blieben aber laut ver.di weit hinter den berechtigten Forderungen der Mitglieder zurück. Sie liegen auch weit unter den Tarifabschlüssen anderer Branchen oder dem öffentlichen Dienst.
mehr »