Amnesty International hat gemeinsam mit 38 anderen Menschenrechtsorganisationen und Einzelpersonen einen Aufruf veröffentlicht, der Google dazu bewegen soll, den angepeilten Start seines Cloud-Services in Saudi-Arabien bis auf Weiteres auf Eis zu legen. Grund hierfür sind ernsthafte Bedenken über anhaltende Menschenrechtsverletzungen im Land und die Sorge, dass die dortige Regierung die eigene Bevölkerung mithilfe der Daten von Tech-Firmen noch strenger zensieren und kontrollieren könnte als bisher.
„Die Liste an Repressalien gegen öffentliche Kritik, mutmaßliche Spionage und die Infiltration von Technologie-Plattformen, der Einsatz von Cyber-Überwachungssoftware und ein gefürchtetes Justizsystem machen aus Saudi-Arabien ein Land, in dem es nicht sicher ist, das Google Cloud Service zu hosten“, heißt es in der Stellungnahme von Amnesty in Kooperation mit Menschen- und Bürgerrechtsgruppierungen wie der Electronic Frontier Foundation oder Media Matters for Democracy.
„In einem Land, wo Andersdenkende verhaftet und für die Äußerung ihrer Meinung eingesperrt und gefoltert werden, könnte der Plan Googles den saudi-arabischen Behörden noch mehr Macht verleihen, um Netzwerke zu bespitzeln, sich Zugang zu Daten von friedlichen Aktivisten zu verschaffen und jegliche individuelle Kritik zu unterdrücken“, warnt Rasha Abdul Rahim, Leiter von Amnesty Tech. Der Internetkonzern soll deshalb die Pläne für einen Start des Cloud Service noch einmal überdenken. „Wir verlangen einen Stopp, zumindest solange, bis das Unternehmen öffentlich darlegen kann, wie es gedenkt, den potenziellen Missbrauch seiner Plattform zu verhindern“, so Rahim.
Verstöße seit vielen Jahren
Dass Saudi-Arabien in Sachen Menschenrechte und Bürgerbespitzelung nicht gerade ein Vorzeigekandidat ist, ist längst kein Geheimnis mehr. „Über viele Jahre hinweg haben Organisationen wie Amnesty und Human Rights Watch über die Menschenrechtsverstöße im Land berichtet“, betonen die Initiatoren des aktuellen Aufrufs. Seit 2017 habe Machthaber Kronprinz Mohammed bin Salman beispielsweise gezielt Massenverhaftungen von Geistlichen, Intellektuellen, Akademikern, Bürgerrechtlern und Mitgliedern der Frauenrechtsbewegung durchführen lassen.
Wie der Fall des brutal ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 gezeigt habe, schreckt das Regime mittlerweile auch nicht mehr davor zurück, Dissidenten im Ausland zu verfolgen, kritisiert Amnesty: „Auch auf die Mitarbeiter von großen internationalen Firmen, die in Saudi-Arabien aktiv sind, haben sie es abgesehen. 2019 wurden etwa zwei Twitter-Angestellte vom US-Justizministerium verklagt, weil sie für die Saudis spioniert haben.“