Serbien: Kampf ums Kabel entbrannt  

Foto: 123rf

Als „Geschäftskonflikt“ umschreibt Serbiens Regierung den eskalierenden Streit zwischen der staatlichen Telekom und der privaten United Group (UG) um die Lizenzgebühren für Programmeinspeisungen. Kritiker wittern in dem Konflikt hingegen auch den Versuch, dem „lästigen“ UG-Sender N1 die Existenzgrundlage zu entziehen. Leidtragender ist das Publikum: Neben N1 sind seit Januar noch 16 weitere UG-Kanäle in rund 300 000 Haushalten aus dem Netz verschwunden.

Ausgerechnet in einem kleinen Kabel-TV-Sender wittert Serbiens Regierungschefin Ana Brnabic den gefährlichsten Gegner imVorfeld der nächsten Parlamentswahlen, die im April stattfinden sollten, aber nunmehr verschoben wurden. Der unabhängige TV-Sender N1 sei „zu einer politischen Partei“ geworden, wetterte bereits im Februar die Strohfrau des allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic, denn: „Von allen Oppositionsparteien führt N1 die beste Kampagne.“

Über die Antenne flimmern den Serben landesweit nur regierungsnahe Sender ins Haus. Die Reichweite von N1 ist hingegen auf die Kabelnetzwerke der Großstädte und das Internet begrenzt: Fachverbände preisen den Kabelsender dennoch als eines der wenigen unabhängigen Lichter in Serbiens Mediendunkel.

Ob die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die EU-Mission in Belgrad oder internationale Journalistenorganisationen wie „Reporter ohne Grenzen“: Es mehren sich die besorgten Stimmen über die zunehmenden Regierungsattacken auf einen der wenigen TV-Sender, der nicht im Dunstkreis und unter Kontrolle der regierenden SNS steht.

Auf der einen Seite steht die staatliche Telekom, die Serbiens Regierung 2011 und 2015 noch erfolgslos zu verkaufen versuchte. Seitdem hat sie sich mit dem Segen Belgrads durch Aufkäufe mehrerer Kabelnetzbetreiber zum zweitgrößten Kabel-TV-Anbieter gemausert: Von einem Verkauf des zu einem wichtigen Medienspieler mutierten Staatskonzerns ist in Belgrad inzwischen nicht mehr die Rede.

Marktführer ist mit einem Marktanteil von 49 Prozent jedoch der Kabelnetzanbieter SBB, Tochter der in Amsterdam registrierten United Group. Zunächst ein eher kleiner TV-Kabelnetzanbeiter bietet der durch Übernahmen und den Einstieg internationaler Investmentsfonds rasch gewachsene Konzern in bisher sechs ex-jugoslawischen Staaten und demnächst auch in Bulgarien von mobiler Telefonie und Nachrichtenportalen bis zu eigenen TV-Kanälen fast alle Telekommunikationsdienste an. Nach eigenen Angaben erwirtschaftet die UG mit 4538 Mitarbeitern mittlerweile einen Jahresumsatz von 737,4 Millionen Euro, Tendenz steigend.

Der jetzige Konflikt hat sich an dem Auslaufen der Verträge der UG mit den nun unter den Fittichen der Telekom stehenden Kabel-TV-Anbietern entzündet. Um den Jahreswechsel nahmen die Telekom-Töchter Posta Net und Supernova die UG-Sender vom Kabel. Über „Erpressung“ und zu hohe Forderungen der UG für die Einspeisung ihrer Sender klagt die Telekom – und verwahrt sich gegen Vorwürfe, den lästigen N1-Sender auf Geheiß Belgrads vom Netz tilgen.

Die UG bezeichnet die Höhe der von ihr geforderten Lizenzgebühren für die Einspeisung ihrer Sender hingegen als „völlig marktkonform“: Zum Vergleich könne die Telekom ja die Höhe ihrer Zahlungen an die regierungsnahen Sender offenlegen. Gleichzeitig lehnt die UG die von der Telekom angebotene Gratisverbreitung ihrer Programme kategorisch ab: Selbst die eigene Tochter SBB habe für die Einspeisung von UG-Kanälen Gebühren zu entrichten.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

krassmedial: Diskurse gestalten

Besonders auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Telegram verbreiten sich rechtsextreme Narrative, die zur Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wie Journalist*innen dem entgegen wirken und antidemokratische Diskursräume zurückgewinnen können, diskutierten und erprobten etwa 70 Teilnehmende der diesjährigen #krassmedial-Sommerakademie von ver.di am Wochenende in Berlin-Wannsee.
mehr »