Trippelschritt der Türkei

Nach jahrelanger Kritik aus dem In- und Ausland hat das Parlament in Ankara den berüchtigten Türkentum-Paragrafen 301 des Strafgesetzbuches geändert. Ein Entwurf der Regierung wurde nach mehr als achtstündiger Debatte mit der Stimmenmehrheit der Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angenommen. In den vergangenen Jahren hatten nationalistische Staatsanwälte den Paragrafen immer wieder genutzt, um unliebsame Intellektuelle wie den Schriftsteller Orhan Pamuk vor Gericht zu bringen. Menschenrechtler und auch die Europäische Union hatten das Gesetz als Instrument zur Beschneidung der Meinungsfreiheit kritisiert und eine Änderung verlangt.
Nach dem Parlamentsbeschluss wird der vage Begriff des „Türkentums“ durch die konkretere Bezeichnung „türkische Nation“ ersetzt. Zudem dürfen Verfahren künftig nur mit Zustimmung des Justizministeriums eingeleitet werden. Damit sollen Alleingänge einzelner Staatsanwälte verhindert werden. Zudem sinkt die Höchststrafe von drei auf zwei Jahre. Das ermöglicht die Aussetzung von Haftstrafen zur Bewährung.
Die Europäische Kommission begrüßte die Änderung als Fortschritt. Allerdings müssten weitere Reformen folgen, hieß es in Brüssel. Der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir kritisierte, die Neuregelung gehe nicht weit genug. Zudem müsse abgewartet werden, ob die neuen Vorschriften tatsächlich so angewendet würden, dass eine Verbesserung der Meinungsfreiheit erreicht werde.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rechtsstaat lässt Journalist*innen im Stich

Mehr als siebeneinhalb Jahre nach dem schweren Angriff von Neonazis auf zwei Journalisten in Fretterode (Thüringen) im April 2018 beginnt zwei Tage vor Weihnachten am Montag, den 22. Dezember 2025 am Landgericht Mühlhausen das Revisionsverfahren gegen zwei Neonazis aus dem Umfeld von Thorsten Heise in Fretterode (Thüringen).
mehr »

Russland erklärt DW zur «unerwünschten Organisation»

Nach der gestern, am 14. Dezember 2025, bekanntgewordenen Hochstufung des deutschen Auslands-TV durch den russischen Staat von einer Auslandsagenten-Organisation zur unerwünschten Organisation fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den wirksamen Schutz von durch Sanktionen betroffenen Journalistinnen und Journalisten.
mehr »

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »