Trump-Regierung dreht Geldhahn für OTF zu

Foto: 123rf

Der US-amerikanische Open Technology Fund (OTF) kann große Netzprojekte wie Tor und Signal nicht mehr fördern, die für die Meinungsfreiheit im Internet zentral wichtig sind. Die Trump-Regierung hat den Geldhahn zugedreht, obwohl der Kongress die Mittel bewilligt hat. Der deutsche Prototype Fund kann die Lücke nur in begrenztem Umfang schließen. So musste der Open Technology Fonds die Arbeit an 49 von 60 Projekten vorläufig einstellen. Neue Förderrunden wurden vorerst ausgesetzt. Gesucht wird nun eine europäische Alternative.

Der Open Technology gilt weltweit als effektivste und vertrauenswürdigste Ansprechstelle für die Finanzierung von Softwareprojekten gegen Zensur und Überwachung.  „Ich spreche für das gesamte OTF-Team, wenn ich sage, wie unglaublich enttäuscht und frustriert ich bin, wenn ich euch diese Nachricht heute überbringe,“ schrieb die amtierende OTF-Chefin Laura Cunningham Ende Juli in einer E-Mail mit der Information über die Folgen der Förderstreichungen an alle Projektnehmer*innen .

Der OTF fördert Projekte, die von Journalist*innen, Whistleblower*innen und Bürgerrechtler*innen in aller Welt genutzt werden. Dazu gehören beispielsweise der beliebte PGP-Webmail-Client Mailvelope, der Anonymisierungsdienst Tor oder der von Edward Snowden empfohlene Signal-Messenger. Betroffen ist aber auch der von deutschen Entwicklern gepflegte anonyme Delta Chat. Die unverschlüsselte, aber anonyme Chat-Software wird vor allem in der Ukraine und Russland, in jüngster Zeit aber auch in Weißrussland von Bürgerrechtlern und Oppositionellen genutzt.

Bisher finanzierte die US Agency for Global Media (USAGM) den Fonds. Dessen neuer Leiter Michael Pack hatte kurz nach seinem Amtsantritt Mitte Juni der gesamten OTF-Leitung gekündigt. In ihrer Abschiedsmail warnte die gefeuerte OTF-Chefin Libby Liu davor, dass es Pläne gebe, die Fördermittel in einige wenige Closed-Source-Tools umzuleiten. Dabei geht es um Software-Programme, deren Code nicht überprüft werden kann. Die Akzeptanz von Signal, Tor und Mailvelope basiert jedoch im wesentlich darauf, dass sie als Open-Source-Programme von jedermann überprüft werden können. Damit besteht unter den Nutzer*innen hinreichend Vertrauen, dass die Programme nicht von Geheimdiensten manipuliert wurden.

Auch die Chefs der ebenfalls von der USAGM finanzierten Sender Middle East Broadcasting, Radio Free Asia und Radio Free Europe/Radio Liberty wurden von Pack gefeuert. Bisher konnten die Journalist*innen hier frei von Weisungen der Regierung arbeiten. Der rechtskonservative Filmemacher Michael Pack – ein guter Bekannter des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon – soll die Sender auf politische Linie bringen.

Vor Gericht setzten sich nun mehrere entlassene Mitarbeiter*innen des OTF gegen ihre  Kündigung zu Wehr und erhielten recht: Seit Ende Juli ist die gesamte OTF-Führungsriege daher wieder an Bord. Da jedoch die USAGM die Fördermittel in Höhe von 20 Mio. US-Dollar noch nicht freigegeben hat, können vorerst keine Projekte mehr bezahlt werden.

Über das Online-Portal „Save Internet Freedom“ sammeln bürgerrechtlich orientierte Organisationen und Digitalaktivisten Spendengelder, um die Projekte am Laufen zu halten. Zuvor hatte das Portal die Vorgänge dokumentiert und Unterschriften von über 400 Gruppen für ein Protestschreiben an den US-Kongress gesammelt.

In Europa gibt es keinen vergleichbaren Fonds, der größere zivilgesellschaftlich motivierte Open-Source-Softwareprojekte von einem Volumen bis zu 300.000 US-Dollar fördern könnte. „Wir versuchen aber gemeinsam mit Partnern auch, einen europäischen Prototype Fund anzuregen“, sagt Katharina Meyer vom Prototype Fund, der vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. 140 Projekte konnte der Prototype Fund mit bis zu 47.500 Euro pro Projekt bereits unterstützen. Bezahlt wird eine sechsmonatige Programmierphase – unabhängig davon, ob diese Summe an eine Einzelentwickler*in oder ein Team ausgezahlt wird.

Pro Ausschreibungsrunde werden höchstens 25 Projekte gefördert. „Wir erhalten pro Runde zwischen 200 und 300 Bewerbungen“, erzählt Meyer. Dabei fördert das Programm hauptsächlich Machbarkeitsstudien beziehungsweise Prototypen und teilweise Erweiterungen bereits bestehender Communityprojekte. Dazu gehören auch journalistische Vorhaben. In der Förderlandschaft fehle aber noch ein Programm, mit dem die Projekte zur Reife gebracht und weiterentwickelt werden können, sagt sie.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »