Übernahmen verfestigen Dominanz weniger Verlage über regionalen Medienmarkt
Die Monopolisierung der hessischen Medienlandschaft setzt sich fort. Während sich Madsack aus der Region zurückzieht, baut die Ippen-Gruppe ihre Dominanz in Nordhessen weiter aus. Im Süden wächst derweil die Verlagsgruppe Rhein-Main (VRM) nach der Übernahme des Darmstädter Echos zum großen Player heran. Weder für die Beschäftigten noch für die Medienvielfalt verheißt diese Entwicklung Gutes.
Madsack gibt den Versuch auf, sich auf dem hessischen Zeitungsmarkt breit zu machen. Die Hannoveraner Verlagsgesellschaft verkaufte im Januar zunächst ihre Mehrheitsbeteiligung an der Oberhessischen Presse (OP) in Marburg an den Altverleger Wolfram Hitzeroth. Das Lokalblatt mit einer Auflage von rund 26.000 Exemplaren ist damit wieder vollständig in Familienbesitz. Kurz darauf veräußerte Madsack auch die Waldeckische Landeszeitung in Korbach und die Frankenberger Zeitung mit einer Auflage von zusammen etwa 22.000 Exemplaren – dieses Mal aber an die Medien Beteiligungsgesellschaft (MBG) in Bad Hersfeld.
Die MBG hält bereits Beteiligungen an einer ganzen Reihe von Medienbetrieben in Nord- und Osthessen, unter anderem an der Werra-Rundschau in Eschwege, an der Hersfelder Zeitung sowie an mehreren Anzeigenblättern. Ihr Geschäftsführer ist Daniel Schöningh – Neffe des Zeitungsverlegers Dirk Ippen, der die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) und die Offenbach Post verlegt. „Ganz Nordhessen ist jetzt zeitungstechnisch Ippen-Land“, kommentierte ver.di-Landesfachbereichsleiter Manfred Moos die Übernahmen.
Der Ippen-Konzern nutzt diese, um „Synergieeffekte“ zu realisieren. Deren erstes Opfer ist offenbar die Waldeckische Allgemeine, eine Lokalausgabe der HNA mit einer Auflage von rund 5.000 Exemplaren. Diese soll nach ver.di-Informationen eingestellt werden. „Das war nach dem Verkauf der auflagenstärkeren Waldeckischen Landeszeitung an die Ippen-Gruppe leider zu erwarten“, sagte Moos. „Durch die Einstellung der Waldeckischen Allgemeinen wird die Region Korbach/Waldeck um eine publizistische Stimme ärmer.“ Die HNA trage die Verantwortung, den rund 20 Beschäftigten der Waldeckischen Allgemeinen eine berufliche Perspektive zu geben, so der Gewerkschafter. Unklar ist bislang, ob die HNA-Lokalausgabe Frankenberger Allgemeine (5.300 Exemplare) das gleiche Schicksal ereilt. Sie konkurriert mit der übernommenen Frankenberger Zeitung.
Auch im Druckbereich werden die Konzentrationsprozesse spürbar sein. So sollen die Waldeckische Landeszeitung und die Frankenberger Zeitung statt in der Marburger OP-Druckerei dem Vernehmen nach spätestens ab Ende des Jahres in der Kasseler Ippen-Druckerei hergestellt werden. ver.di fordert für die Drucker in Marburg deshalb eine Arbeitsplatzsicherung.
Jobs stehen auch beim Hanauer Anzeiger zur Disposition. Die 1725 gegründete Zeitung ist noch in Familienbesitz des Verlegers Thomas Bauer und bislang Deutschlands älteste Tageszeitung mit Vollredaktion. Das soll sich nun ändern. Die Verlagsleitung kündigte im Januar an, die überregionale Berichterstattung künftig von der Offenbach Post beziehen zu wollen. Gedruckt werden sollen die rund 15.000 verkauften Exemplare des Blatts künftig ebenfalls in einem Ippen-Betrieb.
Horst Röper vom Dortmunder FORMATT-Institut ist von den weitreichenden Umstrukturierungen nicht überrascht. „Es ist doch klar, das nach so einem Deal Tabula rasa gemacht wird“, sagte er mit Blick auf die Expansion der Ippen-Gruppe. „Das muss eigentlich auch dem Kartellamt klar sein.“ Die Entwicklung des hessischen Medienmarkts hält der Wissenschaftler insofern für untypisch, als außerhalb der Region beheimatete Verlage das Rennen machen. „Im Prinzip besteht nur noch die FAZ als eigenständiger Verlag, ansonsten ist nicht mehr viel in hessischer Hand.“
Erst Personalabbau, dann Übernahme
Das gilt auch für Südhessen, wo die Mainzer Verlagsgruppe VRM ihre Marktanteile durch Zukäufe erweitert. Neben der Mainzer Allgemeinen gibt VRM auch den Wiesbadener Kurier und das Wiesbadener Tagblatt sowie die Main-Spitze in Rüsselsheim heraus. 2014 hatte das Unternehmen bereits den Verlag des Gießener Anzeigers übernommen. Nun kommt das Darmstädter Echo hinzu.
Dort hatte die Geschäftsleitung bereits im Vorfeld einen drastischen Personalabbau eingeleitet. Im September 2014 kündigte die Echo Medien GmbH an, sich künftig auf ihre „Kernaufgaben“ zu konzentrieren und rund 180 Beschäftigte auf die Straße zu setzen. Diverse Bereiche sollten ausgegliedert werden, in den Redaktionen war eine „geringe Abschmelze“ vorgesehen. Trotz der Kritik von Beschäftigtenvertretern zieht das Unternehmen seine Abbaupläne offenbar voll durch. „Alle Sanierungsmaßnahmen sind eingeleitet“, berichtete der Betriebsratsvorsitzende Thomas Boyny. Der Stellenabbau werde Ende August komplett umgesetzt sein. Wie mit der personell ausgedünnten Belegschaft ein anständiges Produkt herzustellen sei, müsse sich erst noch zeigen. In jedem Fall werde es zu weiterer Arbeitsverdichtung kommen, ist Boyny überzeugt. Dass das Darmstädter Echo nur wenige Wochen nach Ankündigung der „Sanierung“ verkauft wird, hat ihn überrascht. „Darüber wurde zwar schon lange gemunkelt, aber zu diesem Zeitpunkt hätte ich das überhaupt nicht erwartet“, so der Interessenvertreter. „Ich hätte gedacht, dass man erst einmal schaut, wie die Sanierung funktioniert.“
Das war aber offenbar gar nicht geplant. Mancher habe bereits im vergangenen Jahr gemutmaßt, „dass die Sanierung einzig und allein dem Zweck dient, das Darmstädter Echo attraktiv für einen Käufer zu machen“, sagte Manfred Moos von ver.di Hessen. Kaum jemand habe aber damit gerechnet, dass es nur wenige Wochen bis zum Verkauf dauern würde.
Der Käufer VRM ist für den Gewerkschafter hingegen keine Überraschung: Schon seit 2010 betreiben die Echo-Gruppe und die VRM gemeinsam ein Druckzentrum in Rüsselsheim. Seinerzeit verloren bereits 130 Beschäftigte aus der Darmstädter Echo-Druckerei ihren Job. Hans Georg Schnücker von der VRM-Geschäftsführung erklärte die vom Kartellamt noch zu prüfende Übernahme paradoxerweise damit, so die „publizistische Vielfalt“ zu gewährleisten. „In Zeiten sinkender Auflagen und steigenden Drucks durch Global Player wie Facebook oder Google ist die Notwendigkeit für Kooperationen zwischen regionalen Medienunternehmen größer denn je.“ Den 140 verbleibenden Verlagsangestellten und Redakteuren in Darmstadt eröffne der Deal wieder eine gute Perspektive. Betriebsrat Boyny geht hingegen davon aus, dass sich die Lage mit VRM nicht verbessert – und hofft, dass sie dadurch auch nicht schlechter wird. Das VRM-Management habe gegenüber der Belegschaft erklärt, dass sich für diese nicht viel ändern werde.
Moos betonte, ver.di erwarte vom neuen Eigentümer, „dass nunmehr ein langfristig tragfähiges Konzept für die Echo-Zeitungen vorgelegt wird und es nicht zu weiteren Arbeitsplatzverlusten kommt“. Die VRM müsse auch sicherstellen, dass die publizistische Vielfalt in Südhessen erhalten bleibe. Die gelte insbesondere für den Raum Rüsselsheim, wo sowohl das Rüsselsheimer Echo als auch das VRM-Blatt Main-Spitze erscheinen. Dass sich VRM dauerhaft zwei konkurrierende Lokalzeitungen leistet, ist allerdings nicht unbedingt zu erwarten. Auch sonst dürfte der Konzentrationsprozess weitergehen – auf Kosten von Vielfalt und Beschäftigung.