Presserat mahnt Achtung vor der Wahrheit und Wahrung der Menschenwürde als oberste Gebote an
Darf ein Kommentar unter der Überschrift „Durchgreifen“ dazu aufrufen, mit Osama Bin Laden und Saddam Hussein „kurzen Prozess“ zu machen, „ohne mit irgendwelchen Menschenrechtlern herumzudiskutieren“? Klare Antwort des Deutschen Presserats: Nein!
Diese Äußerung aus einem Kommentar der „Ostfriesischen Nachrichten“ ist nach Meinung des Beschwerdeausschusses des Deutschen Presserats ein Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex, der „die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit“ als „oberste Gebote der Presse“ ansieht. Ebenfalls verletzt wurde hiermit Ziffer 6 des Kodex, in der es heißt, dass jede in der Presse tätige Person das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien wahrt. Den Kommentar sieht der Ausschuss als einen Aufruf zur Lynchjustiz an und mit weiteren Forderungen wie „Die Antwort darf da nicht sein, diesen Menschen den Prozess zu machen“ verlasse die Zeitung den Boden der Rechtsstaatlichkeit und ignoriere damit Werte, die Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung seien.
Generell wurde die Berichterstattung über den 11. September jedoch in der letzten Sitzung des Beschwerdeausschusses im Jahr 2001 kaum beanstandet. Nur in obigem Fall wurde eine öffentliche Rüge gegen die Zeitung ausgesprochen, einer weiteren Zeitung wurde wegen der Überschrift „Jagt ihn! 10 Millionen für seinen Kopf“ unter einem großformatigen Foto von Bin Laden eine Missbilligung ausgesprochen. Weitere Beschwerden, die sich vor allem gegen die in vielen Zeitungen veröffentlichten Fotos von Menschen richteten, die sich aus den brennenden Twin Towers stürzten, wurden von dem Ausschuss als Dokumente der Zeitgeschichte angesehen. Diese Bilder würden nach Ansicht des Gremiums mehr noch als die zusammenbrechenden Gebäude oder die Trümmerberge die ganze menschliche Tragödie der Terroranschläge deutlich machen.
Verletzung von Persönlichkeitsrechten
Insgesamt sprach der Beschwerdeausschuss 12 Rügen gegen Zeitungen und Zeitschriften aus, wobei bei insgesamt acht Rügen vor allem die Verletzung von Persönlichkeitsrechten moniert wurde. Neben Ziffer 8 (Schutz des Privatlebens und der Intimsphäre) und Ziffer 9 (Schutz vor ehrverletzenden Behauptungen) war auch Ziffer 13 (Verbot der Vorverurteilung) dabei maßgeblich.
Drei Rügen gab es aufgrund der Verletzung der Ziffer 7 des Pressekodex, in der es heißt: „Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.“
So hatte das Jugendmagazin „Jetzt“ der „Süddeutschen Zeitung“ in zwei Ausgaben eine Anzeige von Eurocard veröffentlicht, in denen Teile eines redaktionellen Textes auf der gleichen Doppelseite zitiert und als Fotomotiv umgesetzt wurden. In einer Sonderausgabe der Zeitschrift „Shape“ wurden redaktionelle Pflege- und Ernährungstipps für Schwangere in unmittelbarer Nähe zu den Anzeigen der empfohlenen Produkte veröffentlicht. Und die „Saarbrücker Zeitung“ schließlich berichtete in ihrem redaktionellen Teil ausführlich und unkritisch über das Angebot von saar-shopping.de, an dem das Blatt eigene Anteile besitzt.
Neben den 12 Rügen erteilte der Beschwerdeausschuss sechs Missbilligungen und fünf Hinweise. 17 Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen.
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