Netzneutralität: 500.000 für ein offenes Internet

Vor dem Eingang der Bundesnetzagentur in Bonn appellieren die Aktivist_innen von „Save the Internet“, Digitalcourage, StopWatchingUs Köln und dem AK Vorrat an die Regulierungsbehörde, die bedingungslose Netzneutralität auf EU-Ebene zu verankern
Foto: Ludwig Gundermann (CC-BY)

In Bonn haben Aktivist_innen von „Save the Internet“, Digitalcourage, StopWatchingUs Köln und dem AK Vorrat der Bundesnetzagentur am 9. August 2016 nach einem Protestmarsch 500.000 Eingaben für ein freies Internet übergeben. Die Unterzeichner fordern die Regulierungsbehörde auf, sich auf EU-Ebene für die bedingungslose Verankerung der Netzneutralität stark zu machen. Denn in ihrer aktuellen Funktion als Vorsitzende des „Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation“ (GEREK) hat die Bundesnetzagentur noch bis zum 30. August 2016 die Möglichkeit, in Europa ein offenes und faires Internet durchzusetzen.

Die Organisatoren wollen mit der Aktion verhindern, dass auf europäischer Ebene die berühmte Datenautobahn mit käuflichen Überholspuren beschlossen wird, also ein „Zwei-Klassen-Netz“, in dem zwar alle Internetnutzer gleich wären, aber finanzkräftige Unternehmen eben gleicher als alle anderen. Deren Daten würden dann bevorzugt befördert werden. Dabei sieht das Prinzip der Netzneutralität per definitionem vor, dass alle Daten vom Internetanbieter ohne Unterscheidung gleich befördert werden müssen und so für alle der freie und gleiche Zugriff auf Daten garantiert wird. Eben dieses freie und offene Internet sei in den letzten 25 Jahren der Motor von Innovation und Wirtschaftswachstum gewesen, sagt Thomas Lohninger von savetheinternet.eu. Ein Wirtschaftsfaktor, der nun jedoch drohe, von Politikern wie dem EU-Digitalkommissar Günther Oettinger für die Profite von Telekomfirmen geopfert zu werden.

Hintergrund ist das im Oktober 2015 von der EU beschlossene Gesetz zur Netzneutralität, das den großen Internet-Konzernen in seiner aktuellen Fassung zu viele Schlupflöcher bietet, um die Netzneutralität auszuhebeln. „Jetzt liegt es an den europäischen Regulierungsbehörden, ob Internet-Konzerne ein unfaires Zwei-Klassen-Netz erschaffen können“, sagt diesbezüglich Friedemann Ebelt von Digitalcourage. „Wenn die Behörden Netzneutralität nicht wirksam durchsetzen, dann werden die mächtigsten Unternehmen schon bald bestimmte Daten und Informationen bevorzugen und damit alle anderen Daten und Informationen benachteiligen. Die Nutzer_innen werden dafür auch noch kräftig zur Kasse gebeten.“

Fast schon überflüssig schließlich, festzuhalten, dass ein „Zwei-Klassen-Netz“ im digitalen Zeitalter auch ein Gefahr für Pressefreiheit und Medienvielfalt darstellt. Dann würde nicht mehr die Qualität, sondern allein die Finanzkraft des Mediums über dessen Positionierung beim Publikum entscheiden.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »