Zum Beratungsstand des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrags

Die Chefs der Staats- und Senatskanzleien haben am 14. April in Bonn über noch offene Fragen des Staatsvertrags, insbesondere aus den Bereichen Jugendschutz, Werbung, Kabelbelegung und Digitalerlaubnis für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, beraten und nachfolgende Entscheidungen gefällt:

ARD und ZDF können ihre „jeweils gesetzlich bestimmten Programme“ auch in digitaler Technik verbreiten und sind weiterhin berechtigt, in Digitaltechnik „weitere Programme“ zu veranstalten. Dafür können sie jeweils Digitalpakete unter einem elektronischen Programmführer zusammenfassen. In ihre Digitalpakete dürfen sie auch Programme „anderer Veranstalter“ aufnehmen, soweit sie in „europarechtlich zulässiger Weise“ verbreitet werden und „dauerhaft als Programme anderer Veranstalter gekennzeichnet“ sind.

Drei analoge Fernsehkanäle für die beiden Digitalpakete

Zugestanden werden den beiden öffentlich-rechtlichen Systemen insgesamt drei analoge Fernsehkanäle für die Veranstaltung ihrer digitalen Programme. Diese Programme dürfen die Kapazität („Umfang“) der analogen Kanäle „nicht übersteigen“. Zwei dieser Kanäle erhält die ARD, einen das ZDF. Als Begrenzung wird festgelegt, daß diese Kanäle der Verbreitung aller Programme dienen, die „zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Staatsvertrags“ gesetzlich bestimmt sind. Außerdem dürfen die digitalen Angebote auf diesen Kanälen verbreitet werden, die zu diesem Zeitpunkt veranstaltet werden. Erlaubt sind „an deren Stelle“ auch jene digitalen Angebote, welche dem Programmauftrag entsprechen.

„Weitere Programme“ nur auf staatsvertraglicher Grundlage

Die Staatskanzleichefs gestehen in ihrer Vereinbarung ARD und ZDF grundsätzlich auch weitere Programme zu einem späteren Zeitpunkt zu. Voraussetzung für die Verbreitung von weiteren bundesweiten gemeinsamen Fernsehprogrammen oder von digitalen Angeboten der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und des ZDF sind „staatsvertragliche Vereinbarungen aller Länder“.

Geteilter Bildschirm und virtuelle Werbung

Zu der Frage eines geteilten Bildschirms entschieden die Staatskanzleichefs, daß eine Teilbelegung des Bildes mit Werbung künftig erlaubt wird. Voraussetzung ist, daß die Reklame „vom übrigen Programm eindeutig optisch getrennt“ und „als solche gekennzeichnet ist“. Die Werbung im Fenster wird auf die zulässige Dauer der Spotwerbung angerechnet. Auch „virtuelle Werbung“ – also die Überblendung realer Werbebanden etwa in Sportstadien durch elektronische Reklamebotschaften – wird in Deutschland künftig erlaubt. Voraussetzung ist, daß der Sender vor und nach der Sendung auf diese virtuelle Werbung hinweist und tatsächlich nur ohnehin bestehenden Werberaum ersetzt.

Einzelne Spots als „Ausnahme“ möglich

Wie erwartet werden auch Plazierungsvorschriften für Werbung gelockert und damit den Vorgaben der Europäischen Fernsehrichtlinie angepaßt. So dürfen die Sender künftig auch einzelne Werbe- oder Teleshoppingspots verbreiten; dieses Abweichen von der Blockwerbung muß allerdings „die Ausnahme bilden“. Zwischen Werbeunterbrechungen „soll“ künftig ein Abstand von 20 Minuten liegen (bisher war dies eine „Muß-Regelung“). Das großzügigere Brutto-Prinzip für die Berechnung der Zahl der Werbeinseln wird insofern anerkannt, als künftig die „programmierte Sendedauer“ (de facto also unter Einschluß der Werbeblöcke) maßgeblich ist.

Jugendschutz

Beim Jugendschutz trafen die Länder die zuletzt erwarteten Regelungen. Bei doppelter Verschlüsselung jugendschutzrelevanter Digital-Sendungen wird allerdings im Rundfunkstaatsvertrag nicht explizit festgehalten, daß dann keine Sendezeitgrenzen mehr gelten. Ob sie tatsächlich ganz oder teilweise fallen, können die Landesmedienanstalten „durch übereinstimmende Satzungen“ entscheiden. Diese Regelung gilt zunächst versuchsweise bis Ende 2002.

Zur Zeit noch ungelöst bzw. nicht konsensfähig ist das Thema Werbe- und Sponsoringfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hierzu soll die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) einen Sonderbericht über die Folgen einer solchen Änderung vorlegen. Ebenfalls noch unentschieden ist die Frage des Finanzausgleichs zwischen den Rundfunkanstalten der ARD.

Endgültig sollen die Ministerpräsidenten am 24. Juni über diese und weitere abschließende Änderungen des Staatsvertrags entscheiden. Nach der anschließenden Ratifizierungsrunde in den Landtagen soll der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag dann am 1. April 2000 in Kraft treten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Reformstaatsvertrag: Zweifel am Zeitplan

Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
mehr »

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »