Presse-Grosso: Neue Einigung mit Verlagen

Seit Jahren schwelt der Streit um die Zukunft des deutschen Grosso-Systems, in dem der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften an den Einzelhandel organisiert ist. Nachdem Vertreter der größten Verlage im September die Verhandlungen über den nächsten turnusmäßigen Vertrag auf Eis gelegt hatten, melden die Beteiligten nun eine Einigung. Zum einen werden die Tarife generell gesenkt, zum anderen werden die Kosten neu verteilt: Wer viel Regalplatz belegt, soll künftig mehr Umsatz machen oder einen Zuschlag bezahlen.

Die Verlage Bauer, Burda, Funke, Gruner + Jahr, Klambt Spiegel und Axel Springer haben sich nun mit dem Bundesverband-Presse-Grosso auf einen neuen Rahmenvertrag für den Zeitschriften-Vertrieb geeinigt. Die Allianz der Verlage mit 75 Prozent Marktanteil war im vergangenen Jahr aus den allgemeinen Verhandlungen ausgeschert und sich darangemacht, mit dem Bundesverband neue Konditionen auszuhandeln. Der Vertrag gilt ab 1. März und wird gemäß den Bestimmungen des Grosso-Verbands auch allen anderen Zeitschriften-Verlegern angeboten.

„Im Einzelhandel borden die Regale teilweise über“, erklärt Kai-Christian Albrecht, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten die Probleme des Systems im Gespräch mit M. Zudem muss sich die Branche mit vielen langfristigen Änderungen beschäftigen: So sinken die Werbeumsätze seit Jahren, althergebrachte Geschäftsmodelle müssen überprüft werden.

Kosten neu verteilt

Die neu vereinbarten Rahmenbedingungen sehen zum einen vor, dass die Auflagen- und Umsatz-Grenzen zur Berechnung der Handelsspannen angehoben werden – zunächst um 1,5 Prozent, 2020 nochmal um 0,28 Prozent. Folge sind sinkende Preise für die Verlage. Parallel dazu werden aber einige Nebenentgelte erhöht, wie zum Beispiel die Nachtzuschläge für die Annahme der Lieferungen.

Wichtigster Punkt: Auch innerhalb der Verlage werden die Kosten neu verteilt. „Die neue Vereinbarung sieht vor, dass Zeitschriften, die einen gewissen, nach Erscheinungshäufigkeiten gestaffelten Mindestumsatz je beliefertem Einzelhändler deutlich unterschreiten, sich künftig stärker an den Systemkosten beteiligen müssen“, erklärt Philipp Wolff von Burda auf Anfrage. Das heißt: Titel, die wenig Umsatz machen, aber lange einen Regalplatz belegen, werden künftig höhere Handelsmargen bezahlen müssen. Titel, die dagegen schnell viel Umsatz machen, kommen im Vergleich dazu etwas günstiger weg. Allerdings bleibt den Verlegern betroffener Titel ein halbes Jahr Zeit, um die Erscheinungsweise und Verkaufspreise ihrer Titel anzupassen und so zusätzliche Belastungen zu verhindern.

Partnerschaftlicher Veränderungsprozess

Die Spannungen zwischen Verlagen und Grosso-System sind damit aber nicht gänzlich ausgeräumt – auch weiterhin dringen die Verlage auf langfristige Kostensenkungen. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es: „Die Verlage und Grossisten haben sich zudem darauf verständigt, dass der dynamisch fortschreitende strukturelle Veränderungsprozess des Presse-Grosso von den Verlagen konstruktiv und partnerschaftlich unterstützt wird.“ Neben dem Fünf-Jahres-Vertrag für Zeitschriftenverleger wurde auch der Vertrieb von Bild und Welt aus dem Haus Axel Springer für drei Jahre festgelegt.

Die im Bundesverband Presse-Grosso organisierten Unternehmen organisieren den Vertrieb von Zeitschriften an bundesweit mehr als 104 000 Einzelhändler. Bei seiner letzten Jahreserhebung musste der Verband einen Schwund feststellen: Zwar hat der Pressegroßhandel nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 3000 Neukunden gewonnen, im Gegenzug liefen aber auch 6000 Verträge aus – unterm Strich ein Minus von 3,3 Prozent.

 

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