Rundfunkratssitzung im RBB gescheitert

Fernsehzentrum des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin. Foto: rbb/Gundula Krause

Seit dem Juni läuft im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) die juristische Aufarbeitung der skandalträchtigen Vergangenheit aus der Ära Schlesinger. Das kostet: Nach einer hauseigenen Recherche sind allein von Juli bis November 2022 Anwaltskosten in Höhe von mehr als 1,4 Millionen Euro entstanden. Kritiker sprachen daraufhin von „Beitragsverschwendung“. Die zur Aufklärung einberufene außerordentliche Rundfunkratssitzung scheiterte – wegen Beschlussunfähigkeit.

Ratsvorsitzender Ralf Roggenbuck war die Peinlichkeit der Situation anzumerken. Wenige Minuten nach Beginn der Sitzung am 20. Januar sah er sich genötigt, die kleine Schar der angetretenen Rundfunkräte wieder nach Hause zu schicken. Gerade mal 13 Mitglieder waren erschienen, zehn weitere digital zugeschaltet. Der Rundfunkstaatsvertrag sieht aber die „physische Anwesenheit“ einer Mehrheit der 29 Räte, mithin mindestens 15, vor. „Manchmal ist so ´ne Grüne Woche auch etwas, das uns hindert“, stammelte der vom Deutschen Beamtenbund in das Gremium entsandte Roggenbuck etwas hilflos auf der Suche nach einer Erklärung. Nun soll am kommenden Freitag ein neuer Versuch unternommen werden, den neuerlichen Skandal im dauerkrisengeschüttelten Sender zu erörtern.

Worum geht es? Ganze 31 Anwälte von vier Rechtsanwaltskanzleien sind seit Juli 2022 damit beschäftigt, die aufgelaufenen Missstände und Unregelmäßigkeiten im RBB zu prüfen. Für ihre Dienste haben sie bislang mehr als 1,4 Millionen Euro in Rechnung gestellt – zu Stundensätzen von 250 bis 500 Euro. Der bisherige Ertrag erscheint RBB-Investigativjournalistin Gabi Probst „überschaubar“. Ein erster Zwischenbericht war zwar im Oktober 2022 präsentiert worden, enthielt aber, so Probst, „nach einem Vierteljahr Prüfung nicht sehr viel mehr, als was zuvor in der Presse stand“.

In der Kritik stehen nun sowohl die Höhe der auflaufenden Kosten als auch der offenbar mangelhaft formulierte Auftrag an die Kanzleien. Auftraggeber sind der Verwaltungsrat und die Compliance-Beauftragte. Im hauseigenen Intranet sah sich Interimsintendantin Katrin Vernau genötigt, noch vor der – später geplatzten – Rundfunkratssitzung gegenüber der beunruhigten Belegschaft Stellung zu beziehen. Dabei legte sie Wert auf den Hinweis, dass die Hauptkanzlei Lutz/Abel schon vor ihrem Dienstantritt mandatiert worden sei.  Allein die für Lutz/Abel anfallenden Kosten knackten inzwischen die Eine-Million-Euro-Schwelle.

Die anderen vom RBB beauftragten Kanzleien: Morgen & Partner beraten die Intendantin in arbeitsrechtlichen Fragen. Die auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierte Kanzlei Krause & Kollegen berät nicht nur den RBB, sondern ist zugleich Ansprechpartner für die seit August 2022 ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft. Die Kanzlei Kappelmann & Partner schließlich kümmert sich im RRB-Auftrag um die Rückabwicklung des Digitalen Medienhauses.

Kritiker wie Martin Heger, Leiter der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität und Uwe Hellman von der Uni Potsdam halten nach der Recherche von RBB-Reporterin Probst den Aufwand für überzogen, geradezu „absurd und nicht nachvollziehbar“. Punktueller Rechtsbeistand sei in Ordnung, aber eine Zahl von 31 Anwälten laufe auf die Verschwendung von Beitragsgeldern hinaus. Offenbar, so bemerken die Rechtsexperten, würden Leistungen nach ausführlicher Kommunikation der Kanzleien untereinander doppelt berechnet. Auch sei nicht einzusehen, wieso die Anwälte Leistungen für die Generalstaatsanwaltschaft erbringen, für die der RBB gar nicht zuständig sei. Normalerweise müsse die Staatsanwaltschaft selbst ermitteln, sonst, so HU-Jurist Heger, bestehe „die Gefahr, dass durch die Vorauswahl des Materials durch die Anwälte eine gewisse Schlagseite entsteht“.

Für den 27. Januar ist die Wiederholung der ausgefallenen Sondersitzung des Rundfunkrates angesetzt. Diesmal dürfte die Beschlussfähigkeit des Gremiums gesichert sein.

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