Quellenschutz in Gefahr 

Screenshot: www.kontextwochenzeitung.de

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) verurteilt die Wochenzeitung  Kontext, weil sie den Namen des Mitarbeiters von AfD-Abgeordneten genannt hat, der sich in Chats rassistisch geäußert hatte, und ihre Quellen nicht preisgeben wollte. Das Frankfurter Urteil widerspreche guter journalistischer Praxis, kritisierte der verdi-Vorsitzende Frank Werneke.

Die Karikatur zeigt einen Arm mit dem AfD-Logo und einer Keule, auf  der die Worte  Unterlassungserklärung und Schadenersatz stehen.  Sie schwebt bedrohlich über einer kleinen  Figur mit Bleistift und einer Fahne,  auf der Kontext steht. Gemeint ist ist die Wochenzeitung Kontext  aus Süd-Westdeutschland. Auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe ist die Karikatur abgedruckt. Tatsächlich ist die Arbeit der Redaktion durch eine Gerichtsentscheidung bedroht. Ende März hat das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) die Redaktion dazu verurteilt, an den ehemaligen Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten der AFD in Baden-Württemberg einen Schadenersatz von 25000 Euro plus Zinsen zu zahlen. Die Zeitung hatte im Mai 2018 Auszüge aus einem Facebook-Chats veröffentlicht und dort auch den Namen des ehemaligen AfD-Mitarbeiters genannt.

„Wir entschieden uns dafür, die menschenverachtenden und massiv rassistischen Chat-Inhalte auszugsweise zu veröffentlichen, weil wir genau darin die Aufgabe der Presse sehen: Zu enthüllen, was im Verborgenen passiert und wie Mitarbeitende der AfD ticken, wenn sie nicht unter Beobachtung der Öffentlichkeit stehen – noch dazu Mitarbeitende, die Zugang zum Landesparlament und damit zu sensiblen Daten und Informationen haben“, begründet die Kontext-Redaktion den Abdruck mit dem Namen des Rechten. Der klagte gegen die Redaktion und verlor in mehreren Instanzen.

So bescheinigte das Oberverwaltungsgericht Karlsruhe der Kontext-Redaktion gute journalistische Arbeit. „Mit Rücksicht auf die Diskussion um rechtsextreme Bestrebungen im Umfeld der AfD leisten die beanstandeten Presseartikel einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“,  schrieb das Gericht in seiner Urteilsbegründung im Februar 2019.  Daher war die jetzige Niederlage vor dem OLG Frankfurt/Main auch für die Redaktion ein Schock. Der Richter forderte die Kontext-Redakteurin Anna Hunger auf, anzugeben, woher sie die Chats hatten. Die lehnte mit Verweis auf den journalistischen Quellenschutz ab. Das OLG erklärte, die Redaktion habe nicht zuverlässig genug dargelegt, woher die Informationen über den ehemaligen AFD-Mitarbeiter stammen und verurteilte  die Redaktion.

Solidarität  mit der Kontext-Redaktion

„Der hohe Stellenwert von Quellenschutz ist im Pressekodex niedergelegt, an dessen Vorgaben sich Kontext richtigerweise orientiert hat. Das Frankfurter Urteil widerspricht guter journalistischer Praxis und stellt die grundgesetzlichen Aufgaben der Presse infrage, die in diesem Fall ja hinlänglich bei der Berichterstattung über Demokratiefeinde begründet war“, zeigte sich der verdi-Vorsitzende Frank Werneke mit der Redaktion solidarisch.

Auch die Pressereferentin von Reporter ohne Grenzen Katharina Viktoria Weiß verwies in ihrem Statement auf die hohe  Bedeutung des Quellenschutzes für die journalistische Arbeit. Sie hofft, dass sich das Gericht in einem Revisionsverfahren damit befassen wird. Doch ob es dazu kommt, ist noch offen. Das OLG hat keine Revision der Entscheidung zugelassen. Zudem hat das Gericht den Streitwert  von 260000 auf 480000 Euro erhöht hat. Dadurch erhöhen sich auch die Verfahrenskosten, die  Kontext  neben dem Schadenersatz für den Rechten übernehmen muss. Die Redaktion hat eine Spendenkampagne gestartet.

 

 

 

 

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Journalistische Rolle: Mächtige kontrollieren

Der Journalismus steht in der digitalisierten Gesellschaft besonders unter Druck, wenn er seine demokratische Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen, weiterhin erfüllen will. Das beeinflusst auch Rollenverständnis und Werteorientierung der Medienschaffenden. Nach einer aktuellen Studie zur Profession in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist den meisten Journalist*innen heute ihre Kontrollfunktion als „Watchdog“ der Mächtigen am wichtigsten.
mehr »

Koalitionsvertrag: Details zu Presse und Medien

Am 9. April haben CDU/CSU und SPD als Grundlage für ihre mögliche Zusammenarbeit als neue Regierung den in den vergangenen Wochen verhandelten Koalitionsvertrag vorgestellt. Wir dokumentieren einige Details zum Bereich Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Medien- und Netzpolitik, sowie zu Digitalisierung und Medienkompetenz.
mehr »

Medienrat: Chance für den ÖRR

Der Medienrechtler Wolfgang Schulz hält es grundsätzlich für positiv, einen Medienrat zu schaffen, der evaluiert, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag insgesamt erfüllen. Es sei „eine gute Idee“ eine Institution zu haben, die gesamthaft die Entwicklung der Rundfunkanstalten in den Blick nehme, erklärt Schulz, Vorstandsvorsitzender des Leibniz-Instituts für Medienforschung Hans-Bredow-Institut (HBI).
mehr »

Die unendliche Krise des RBB

Der Schock sitzt nach wie vor tief. „2025 wird ein Schicksalsjahr für den RBB“, so die unfrohe Botschaft von Intendantin Ulrike Demmer Ende Januar auf einer Informationsveranstaltung vor der fassungslosen Belegschaft. Was folgte, war ein radikales Sanierungsprogramm für den Sender. Insgesamt 22 Millionen Euro will die Geschäftsleitung am Personal- und Honoraretat einsparen. Das entspricht 10,2 Prozent der bisherigen Aufwendungen und ziemlich genau 254 Vollzeitstellen.
mehr »