Bundesgerichtshof entscheidet gegen die VG Wort

Der für Urheberrechtsfragen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April entschieden, dass die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort nicht berechtigt ist, einen pauschalen Betrag in Höhe von grundsätzlich der Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage auszuzahlen. Dieser Spruch in dritter Instanz gibt im Wesentlichen einem wissenschaftlichen Autor Recht. Er hat dagegen geklagt, dass die VG Wort entsprechend ihrem Verteilungsplan Verleger und bestimmte Urheberorganisationen an den Einnahmen beteiligt und dadurch den persönlichen Anteil des Autors an diesen Einnahmen schmälert.

Die Frage der Rechtmäßigkeit von Verlegeranteilen beschäftigt die Beteiligten, die Medienwirtschaft und die Öffentlichkeit der Bundesrepublik seit Jahren. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht München im Oktober 2013 der Klage weitgehend stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hatten sowohl die VG Wort als auch in Teilen der Kläger Martin Vogel Revision eingelegt.
Der Bundesgerichtshof begründete seine jetzige Entscheidung damit, dass
eine Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche auszuschütten habe. Bei der Verteilung sei entscheidend, ob und inwieweit diese Einnahmen auf der Wahrnehmung ihr eingeräumter Rechte oder übertragenen Ansprüche beruhen. Die Richter kamen zur Überzeugung: „Allein der Umstand, dass die verlegerische Leistung es der Beklagten erst ermöglicht, Einnahmen aus der Verwertung der verlegten Werke der Autoren zu erzielen, rechtfertigt es nicht, einen Teil dieser Einnahmen den Verlegern auszuzahlen“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes. Es sei nicht ersichtlich, das die VG Wort mit der Wahrnehmung der ihr von Verlegern eingeräumten Rechte Einnahmen in einem Umfang erzielt, der es rechtfertige, regelmäßig die Hälfte der Verteilungssumme an die Verleger auszuschütten. Allerdings dürfe die Verwertungsgesellschaft bestimmte Urheberorganisationen an ihren Einnahmen beteiligen, soweit die Autoren diesen entstandene gesetzliche Vergütungsansprüche abgetreten hatten, wird in dem Urteil (Az.: IZR 198/13) begründet. Damit sei die „jahrzehntelange Praxis der VG Wort hinfällig geworden“. Ob das auch wirtschaftlich sinnvoll sei, sei dahingestellt, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher.
Im Verlaufe des langen Rechtsstreits hatten die VG Wort und die VG Bild-Kunst ihre Ausschüttungen an Verlage zunächst unter Vorbehalt gestellt bzw. ganz ausgesetzt. Für Rückzahlungen bis zum Jahr 2012 haben die Verwertungsgesellschaften bereits Vorkehrungen getroffen. Für das weitere Vorgehen wolle man die schriftlichen Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofes abwarten, erklärte die VG Wort. Eine angemessene Beteiligung von Urhebern und Verlage könne künftig jedoch nur gesichert werden, „wenn der Gesetzgeber schnellstmöglich tätig wird“, heißt es in einer ersten Stellungnahme.

Die dju in ver.di hat umfassende Informationen zum Urheberrecht auf ihrer Webseite zusammengestellt.

Zum bisherigen Verlauf und Hintergründen des aktuellen Rechtsstreites siehe:
https://dju.verdi.de/freie/urheberrecht/streit-um-die-vg-wort

Einordnung des Urteils gegen die VG Wort von Wolfgang Schimmel (Rechtsanwalt und rechtlicher Berater in der VG Wort):

http://www.kunstundkultur-online.de/kulturpolitik1.html#bghvg

Weitere Informationen bei der VG Wort:
http://www.vgwort.de

Weitere aktuelle Beiträge

Drei Fragen zum Streik der SZ

In den beiden Wochen vor der zehnten Tarifrunde mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) am 18. Juli erhöht die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit den Redakteur*innen in den Zeitungsredaktionen bundesweit den Streikdruck. Besonders im Süden der Republik kommt es zu mehrtägigen, spürbaren Streiks. Auch bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) wird seit gestern wieder gestreikt. Wir sprachen mit Ertunç Eren, ver.di-Fachsekretär Medien, Bezirk im München.
mehr »

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »

Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 
mehr »

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »