Das bewährte Rezept heißt Ausgliederungen. Bei M. DuMont Schauberg in Köln, einem der ältesten deutschen Verlagshäuser, das sich aktuell als drittgrößten Zeitungsverlag sieht, hat man die Strategie der Tarifflucht in den vergangenen Jahren vervollkommnet. Nachdem zunächst die Verlagsbereiche konzernweit nahezu komplett verhackstückt wurden, stehen weiter die Redaktionen im Fokus. Doch nicht nur in der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft regt sich Widerstand. Eine Bestandsaufnahme.
Als der Vorstand und die Geschäftsführer der DuMont-Titel 2013 eine Debatte um die Neuaufstellung des Unternehmens führten, trug das zugrunde liegenden Thesenpapier den Titel “MDS 2015“. Ein wesentliches Ziel war bestimmt: die Auflösung von Tarifbindungen, um die Arbeitskosten leichter senken zu können. Dazu gehörte die Gründung neuer Gesellschaften, um im Rahmen von Ausgliederungen die Tarifwirkung zu beenden. 2014 stellte sich das Unternehmen strategisch neu auf, doch bei den Arbeitskosten hält man am Weg der Tariflosigkeit fest. Mit dem Programm “Perspektive Wachstum” wurden inzwischen fast alle Verlagsbereiche an den Standorten ausgegliedert. Nun nimmt sich das Verlagshaus, das seit September 2015 als DuMont Mediengruppe firmiert, den redaktionellen Bereich vor.
Köln: DuMont Rheinland Media 24
DuMont-Rheinland Geschäftsführer Phillip M. Froben geht davon aus, dass es keine Neueinstellungen mehr in ein tarifgebundenen Redaktionsunternehmen in Köln geben wird. Künftig werden sie für den „Kölner Express“ und den „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die 2015 gegründete Gesellschaft DuMont Rheinland Media 24 erfolgen. Der MDS-Betriebsrat spricht von einem Ausbluten der Tarifbindung. Die “Alt”-Redakteure von Stadt-Anzeiger und Express bleiben in der tarifgebunden Gesellschaft. Hier sind noch rund 180 Redakteur_innen beschäftigt. In der neuen DuMont Rheinland Media 24 sind es bereits an die 100. Der MDS-Betriebsrat, seit Kurzem auch für die DuMont Rheinland Media 24 zuständig, nutzt die Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes und stimmt zwar den Einstellungen zu, widerspricht aber den nichttariflichen Eingruppierungen mit dem Verweis auf eine fehlende vereinbarte Vergütungsordnung.
Köln: Rheinische Redaktionsgesellschaft
Am 1. Juli 2014 wurden alle Außenredaktionen der „Kölnischen Rundschau“ und des „Kölner Stadt-Anzeiger“ von ihren Stammgesellschaften MDS und Heinen-Verlag ausgegliedert und in die Rheinische Redaktionsgesellschaft GmbH (RRG) überführt. Heute werden beide Titel an zehn Standorten in jeweils gemeinsamen Redaktionen mit deutlich reduzierter Belegschaft von etwa 100 Beschäftigten produziert. Die RRG ist tariflos, etwa 85 Prozent der Redakteur_innen und Redaktionssekretärinnen sind derzeit noch über § 613a BGB an ihren früheren Manteltarif gebunden. Alle Neueingestellten erhalten Arbeitsverträge zu wesentlich schlechteren Konditionen und ohne Tarifbindung. Das gilt auch für die zwölf ehemaligen Pauschalist_innen, die in den vergangenen Monaten als Redakteur_innen fest eingestellt wurden. In einer Mitarbeiterversammlung Ende Mai haben sich die Beschäftigten dafür ausgesprochen, einen Haustarifvertrag zu fordern, der die Tarifbindung für alle wieder herstellt. Sie trauen es sich auch zu, ihre Forderungen gegebenenfalls mit einem Arbeitskampf durchzusetzen.
Berlin: DuMont Redaktionsgesellschaft und Berlin Digital24
Im Berliner Verlag hatte man im Zuge der gemeinsamen Mantelproduktion 2012 die Produktionsredakteure in die tariflose DuMont Redaktionsgesellschaft mit heute rund 30 Redakteur_innen eingestellt. Das Unternehmen war bereits 2010 als Hauptstadtredaktion für „Frankfurter Rundschau“ und „Berliner Zeitung“ gegründet worden und ist heute Mantellieferant für „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Mitteldeutsche Zeitung“ (Halle/S.). Für die Beschäftigten gibt es eine betriebsrätliche Zuständigkeit. Ende 2015 kam es zur Gründung von Berlin Digital 24. Hier wurden die Online-Redakteur_innen und weitere Pauschalist_innen angesiedelt. Heute arbeiten dort rund 30 Redakteur_innen zu tariflosen Arbeitskonditionen. Einen Betriebsrat oder einen gemeinsamen Betriebsrat gibt es bisher nicht. Für die insgesamt rund 170 Redakteur_innen der „Berliner Zeitung“ und des „Berliner Kurier“ gilt ein Haustarifvertrag unmittelbar.
Nicht nur tariflos
DuMont weiß um die Sprengkraft von Tariflosigkeit in den Stammbelegschaften. So wurde 2015 die Kölner Druckerei ausgegliedert, doch mit dem neuen Unternehmen trat man dem Druckarbeitgeberverband bei. Ausgegliedert wurde 2015 auch der „Berliner Kurier“. Für die Beschäftigten wurde ein Haustarifvertrag abgeschlossen, der die bisherigen Tarifregelungen übernimmt.
Wie es weiter geht?
Für die Beschäftigten und Gewerkschaften bleibt dieser Zustand eine Herausforderung, nicht nur in der DuMont Mediengruppe. Dringender Handlungsbedarf ergibt sich vor allem für neu Eingestellte, die geringere Einkommen und Standards akzeptieren müssen als ehemals tarifgebundene Redakteur_innen. Doch wie das Beispiel Zeit-Online zeigt: Jung und aufgeschlossen muss nicht zwingend gleichbedeutend sein mit fehlenden Gehaltserhöhungen. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen. Sie lassen sich aber nur über betriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertretungen durchsetzen.