Um wieder Schwung in die Tarifverhandlungen über eine Beschäftigungssicherung der freien Mitarbeiter*innen zu bringen, machen Freie im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) vom 11. bis zum 18. April gemeinsam Urlaub vom Sender. Mehr als 360 freie Mitarbeiter*innen beteiligen sich an der Aktion #wirsindnichtda. Ebenso wie im vergangenen Jahr soll auch diese Aktionswoche in einer Kundgebung am 1. Mai kulminieren.
Die Aktion #wirsindnichtda läuft zum dritten Mal, schon im Mai und September 2021 gab es jeweils eine „Woche des zweiten Standbeins“. Damit sollte ausgedrückt werden, dass man gerade bei einem anderen Auftraggeber beschäftigt sei und beim RBB keine weiteren Aufträge annehmen könne. „In diesem Jahr machen wir nun gemeinsam Osterurlaub“, sagt Dagmar Bednarek, eine der Sprecher*innen der RBB-Freienvertretung. Aufgerufen zum gemeinschaftlichen Osterurlaub wird über die Website http://wirsindnichtda.rbbpro.de/.
Zu sehen sind die Aktionen vor dem Hintergrund der Einstellung von ZiBB, die als Initialzündungen wirkte. 77 Leute erhielten eine Beendigungsmitteilung. „Das war ein Schock. Keiner hatte damit gerechnet, manche Leute waren 20 oder 30 Jahre dabei. Sie bekamen einen Abschiedsbrief, in dem man ihnen für ihre Arbeit dankte. Gleichzeitig sagte man ihnen, dass sie nicht mehr gebraucht werden“, so Bednarek. Aus dem Unmut, der sich daraufhin unter den Mitarbeiter*innen des Senders breitmachte, entstanden 2021 etliche Aktionen, viele ehemalige ZiBB-Beschäftigte beteiligten sich daran als treibende Kräfte.
Der Umgang mit den ZiBB-Freien führte zur Forderung „Bestandsschutz für alle Freien“. Mit den Aktionen im letzten Jahr habe man Druck auf die Geschäftsleitung ausüben und Verhandlungen erzwingen wollen. „Dagegen hat sich die Geschäftsleitung lange mit Händen und Füßen gewehrt.“ Schließlich lenkte die Chefetage ein, Verhandlungen wurden aufgenommen, es wurde erreicht, dass viele Leute weiterbeschäftigt werden. „In welchem Umfang ist allerdings noch unklar. Ob die Weiterbeschäftigung für den Lebensunterhalt ausreicht, wissen wir noch nicht“, sagt Bednarek.
Mittlerweile gab es sechs Tarifrunden, in denen um die Beschäftigungssicherung für die Freien gerungen wurde. Schon in den Begrifflichkeiten grenzen sich beide Seiten ab: Während die Freien von „Bestandsschutz“ sprechen, meidet die Geschäftsleitung dieses Wort und redet stattdessen von Beschäftigungssicherung.
Nach der letzten Verhandlungsrunde im März 2022 erklärten die Gewerkschaften die Verhandlungen für gescheitert. Es habe kaum eine Annäherung gegeben. Der RBB hatte zunächst eine Sicherung nach einer 30-jährigen durchgehenden Beschäftigung angeboten; schließlich war er auf 20 Jahre hinunter gegangen. Mehr sei nicht drin, hieß es. Die Freienvertretung lehnt eine solche feste Jahresgrenze ab: Leute, die beispielsweise 19,5 Jahre beim Sender waren, fallen bei so einem Modell völlig raus. Stattdessen schlugen die Gewerkschaften eine Lösung vor, mit der man sich ab einer bestimmten Mindestzugehörigkeit zum Sender peu á peu mehr Sicherheit erarbeiten kann. Danach könnte etwa nach sechs Jahren der Einstieg in eine Beschäftigungssicherung erfolgen, die von Jahr zu Jahr sukzessive ansteigt, bis nach 20 Jahren ein 80-prozentiges Honorar erreicht wäre. Diesen Vorschlag lehnte der RBB ab.
Ein weiterer Fallstrick liegt in der „durchgehenden Beschäftigung“, die der Sender als Einstieg in die Beschäftigungssicherung voraussetzen will. Sie liegt vor, wenn ein Freier mindestens 72 Tage pro Jahr für den Sender gearbeitet hat. Sobald jemand pausiert, weil sich beispielsweise Nachwuchs einstellt oder ein Familienangehöriger zu pflegen ist, sei die durchgehende Beschäftigung nicht mehr gegeben, nach der Rückkehr an die Arbeit beginnt die Zählung von vorn.
Die Aktion #wirsindnichtda soll neuen Schwung in die Tarifverhandlungen bringen. Bis zum Abbruch der Verhandlungen sei man in der Freienvertretung davon ausgegangen, von der Urlaubsaktion Abstand zu nehmen, wenn der RBB akzeptable Lösung anbietet. „Dann hätten wir die Aktion abgeblasen“, so Bednarek. Aber der Sender habe es darauf ankommen lassen und Urlaubssperren für feste Mitarbeiter*innen verhängt. Dennoch ist die Abwesenheit der Freien dem Programm anzumerken, tagesaktuelle Berichterstattung findet kaum statt, vieles kommt aus der Konserve, etliches wurde vorproduziert. „Die Einschnitte im Programm sind spürbar“, so Bednarek.
Das erklärte Ziel: In die Verhandlungen soll wieder Bewegung kommen, ein vernünftiges Angebot soll erreicht werden. Man wolle die harte Klippe abschaffen, die sich aus einer starren Regelung hinsichtlich der Beschäftigungsdauer ergibt. Außerdem gelte es, Regelungen zu finden über mögliche Pausen, die sich beispielsweise bei der Geburt eines Kindes ergeben. Es könne nicht angehen, dass man nach der Erziehungszeit faktisch rausfällt. Hinzu komme, dass sich die Geschäftsleitung betriebsbedingte Kündigungen vorbehalten will, selbst nach 30-jähriger Tätigkeit für den Sender. Wenn Formate gestrichen werden, müsse man die Betroffenen frühzeitig informieren und absichern.
Die Stimmung im Sender sei unterirdisch, es habe schon immer Höhen und Tiefen gegeben, aber im Moment sei sie auf dem absoluten Tiefpunkt, meint Bednarek. „Man kann vieles ändern und umstrukturieren, das ist legitim. Aber man muss die Leute dabei mitnehmen.“ Wichtiger als alles andere sei die Mitarbeiterpflege und ein offenes Ohr für deren Belange. Beides gebe es derzeit nicht.