Ursachenforschung
Von Gitta Düperthal | Derzeit erhitzt eine Debatte um einen jungen Journalisten Sebastian W. die Gemüter, weil er gefälschte Zitate von frei erfundenen Informanten unter anderem in Spiegel-online und Welt-online publiziert haben soll. In Internetblogs, Zeitungen und Medienfachzeitschriften wird aufgeregt diskutiert, ob der 25-jährige zur Verantwortung zu ziehen ist. Dieser rechtfertigt, von einem Hochstapler, der sich als Kölner Jurist C. Penkella ausgab, getäuscht worden und dessen falscher Identität als Anwalt aufgesessen zu sein. Ehemalige Auftraggeber des Autors Sebastian W. haben nun Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet wegen Titelmissbrauchs, Urkundenfälschung und Betrugs. Ist eine Debatte über Glaubwürdigkeit fällig: Kann journalistische Sorgfalt garantiert werden? Der Presserat hat die Angelegenheit beigelegt: Man habe Beschwerden erhalten und für richtig befunden, jedoch nicht gerügt, weil die betreffenden Medien bereits Maßnahmen eingeleitet hätten.
Vor dem Einstieg in die Debatte, gilt, bewusst zu machen, worum es geht: Wurden maßgebliche Meilensteine der Demokratie über den Haufen geworfen oder Minderheiten wie Migranten unter falschem Namen verächtlich gemacht? Nein! Ein junger Kollege hat in Überfliegermanier zu Verbraucherthemen wie „Schufa-freier Kredit“ oder „Verkehrsdelikte im Ausland“ einen nicht existenten Anwalt zitiert – auch in anderen Fällen soll er dubiose Quellen benannt haben.
Dies ist nicht der einzige Fall, der die Medienwelt erschüttert. Ein kürzlich gefeuerter Autor des Magazins Neon hatte sich Promi-Interviews selber ausgedacht – nach dem berühmten Vorbild Tom Kummer, der für das SZ-Magazin Gespräche mit Schauspielern erfunden hatte. Angebracht ist, die personifiziert geführten Debatten zu versachlichen.
Was ist das Problem? Dass überforderte und unterbesetzte Redaktionen beim Überprüfen von Texten mitunter versagen; manch junger Freiberufler geltungssüchtig Mengen an Texten produziert – auch schlecht recherchierte, um mühsam erwirtschaftetes Honorar auf fragwürdige Weise aufzupeppen? Interessanter wäre, zu analysieren, wie sie überhaupt auf derart abstruse Ideen kommen! Folgen sie nicht geradezu überaus brav und angepasst einem unter der CDU/FDP-Regierung verschärften gesellschaftlichen Trend, wirtschaftlichen Nutzen über alles zu stellen? Lohnt nicht eher Nachdenken über Hintergründe des Entwertens journalistischer Qualität, statt laut zu schreien: „Haltet den Dieb“!
Schuss vor den Bug
Von Helma Nehrlich | Total-Buy-Out ist out, könnte man es flapsig und ein wenig zu optimistisch auf den Punkt bringen. Denn gewiss zeugen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Springer AG auch künftig davon, wer am längeren Hebel sitzt. Ganz so gutsherrlich wie bisher wird es gegenüber freien Journalistinnen und Journalisten allerdings nicht mehr laufen: Das Kammergericht Berlin hat Ende März durchgegriffen. Per Einstweiliger Verfügung und durch Hauptsacheurteil hat es untersagt, dass Springer wichtige Passagen seiner AGB für freie Schreiber des Verlags weiter nutzen darf. Ähnlich hatte schon das Landgericht Berlin 2007 entschieden. Die zweite Instanz verwarf aber nicht nur die Springersche Berufung, sondern ging über das erste Urteil noch hinaus. Ein Schuss vor den Bug für den Medienriesen. Die Freien, die sich seit längerem und zunehmend geknebelt sehen, wurden dagegen gestärkt und hoffentlich auch ermuntert. „Das Gericht hat allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten der Freien einen Riegel vorgeschoben“, betonte dju-Geschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen. DJV und die dju in ver.di hatten die Anfang 2007 von Springer eingeführten AGB gemeinsam angefochten. Aus gutem Grund. Dort wimmelte es von Kann-Bestimmungen, sofern es um Rechte und Erlöse der Freien ging. Der Verlag hingegen sicherte sich und Dritten weitgehende Nutzungsrechte. Die sollten auch ohne Zustimmung der Urheber übertragen und sogar weiter übertragen werden können. Schon das Berliner Landgericht hatte Klauseln einen Riegel vorgeschoben, dass im Falle einer werblichen Nutzung von Beiträgen eine Vergütung lediglich „gesondert abgesprochen werden“ könne und dass „nach Absprache“ entschieden werden soll, ob ein Beitrag – in Folgeausgaben mit neuem Aktualitätsbezug erneut veröffentlicht – überhaupt „gesondert zu vergüten“ wäre. Auch dass ein fehlender Urhebervermerk „keine gesonderten Ansprüche“ der Freien auslöse, befand man bereits in erster Instanz rechtswidrig. Das Kammergericht ging jetzt noch weiter: Zwar gestattet man dem Verlag eine Mehrfachnutzung der Beiträge, die Rechteübertragung an Dritte und die zustimmungsfreie Weitergabe von Nutzungsrechten wurde jedoch kassiert. Man untersagte auch die Verwendung einer „Abschlagsstaffel“, sofern mehrere Fotos aus einer Produktion genutzt werden. Die den Verlag bevorteilende Regelung zu Ausfallhonoraren wurde ebenfalls verboten.
Da muss an der Berliner Kochstraße nun umgehend und gehörig nachgebessert werden. Recht so.