RBB-Reform: Kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf

Gebäude des RBB (Rundfunk Berlin Brandenburg) in der Masurenallee
Foto: Christian von Polentz

Neue Besen kehren besser? 100 Tage nach Amtsantritt hat die neue Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg Patricia Schlesinger ihre Reformpläne für das RBB-Fernsehprogramm präsentiert. Die strategische Leitlinie lautet: Alle Kraft ins Abendprogramm, das „mutiger, kantiger, auffälliger, relevanter“ werden soll. Quotenschwache Sendungen werden gestrichen, neue Formate projektiert, neben Populärem sollen auch Information und Investigatives nicht zu kurz kommen. Bei diesem Relaunch wird es Gewinner und Verlierer geben. Aber Schlesinger stellt klar: „Dieser Reformprozess ist kein Sparprozess.“ Die Beschäftigten werden sie beim Wort nehmen.


Dass etwas passieren muss, ist bei allen Beteiligten unbestritten. Seit Jahren dümpelt das RBB-Fernsehprogramm bei 5,5 Prozent – das ist die niedrigste Quote aller dritten ARD-Programme. Kein Wunder, bei diesem Sammelsurium aus possierlichen Tiermagazinen, schwierigen Formaten wie „Bauer sucht Kultur“ sowie alten „Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Wiederholungen aus dem Ersten oder Übernahmen von anderen Dritten. Einzige Renner sind seit Jahr und Tag die unverwüstliche „Abendschau“ und das „Brandenburg Journal“. Zum Vergleich: Der MDR kommt als Spitzenreiter auf satte 9,6 Prozent. „Wir haben mit dem Fernsehen zuletzt eine Durststrecke erlebt“, resümierte Schlesinger bei der Vorstellung der Reformpläne. Eine kaum verklausulierte Kritik an der glücklosen Programmpolitik ihrer Vorgängerin Dagmar Reim?

Schlesinger will nun mit neuen Akzenten in der Prime Time das RBB-Profil schärfen. Ihr Ziel: „die Akzeptanz beim Publikum erhöhen und die publizistische Wahrnehmbarkeit des RBB in der Region und in der ARD steigern“. Erreichen will sie dies mit einer Konzentration auf die Prime Time ab 20:15 Uhr. Geplant sind unter anderem: ein multimediales Verbrauchermagazin, ein gesellschaftspolitisches Format, ein fester Sendeplatz für Doku-Serien, ein Magazin mit dem Arbeitstitel „Erlebnis Geschichte“. Gestärkt werden soll der multimediale Reporterpool, was auch der investigativen Berichterstattung zugutekommen dürfte.

Durch den Rost fallen quotenschwache Formate wie die Sendungen mit Max Moor („Bücher und Moor“, „Bauer sucht Kultur“), die tägliche Nachmittagssendung “rbb um vier“, „Stadt, Rad, Hund“ und leider auch das von Astrid Frohloff moderierte Politmagazin „Klartext“ (Marktanteil: 3,8 Prozent). Die Produktion dieser Sendungen ist durchaus personalintensiv. Speziell bei „Klartext“ und „rbb um vier“ ist eine Reihe fester freier Mitarbeiter_innen betroffen, sowohl in der Technik als auch in der redaktionellen Zuarbeit.

Angesichts der bevorstehenden Veränderungen sind Teile der Belegschaft skeptisch. Zwar sei laut Intendanz nicht mit einer Kündigungsflut zu rechnen. Aber die Freienvertretung fürchtet dennoch Reibungsverluste. „Eine heikle Phase könnte der Jahresbeginn werden, wenn die ersten Sendungen bereits eingestellt, aber die neuen Formate noch nicht auf Sendung sind“, gibt Freiensprecher Christoph Reinhardt zu bedenken. Man werde darauf achten, „dass die finanziellen Risiken und Nebenwirkungen der Reform nicht einfach den Freien überlassen werden“. Ein genaues Bild der absehbaren Folgen dieser Reform sei noch nicht zu erkennen. Deshalb strebe man an, „in den nächsten Wochen geeignete Lösungen gemeinsam mit der Geschäftsleitung“ zu erarbeiten. Grundsätzlich stehe man dem Aufbruch aufgeschlossen gegenüber. Reinhardt: „Dass Schlesinger Tempo macht, gefällt uns.“

Auch Rundfunkrätin Susanne Stumpenhusen, entsendet vom ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg, kann den TV-Plänen viel Positives abgewinnen. Sie vertraut dabei auf die Zusage der Intendantin, bei der Neuordnung „nicht mit der Axt“ vorzugehen. Die notwendigen Umschichtungen müssten sozialverträglich ablaufen. „Bei allem Wohlwollen für die Reform wollen wir von der Intendanz bald erfahren, ob und welche personellen Konsequenzen sich abzeichnen und in welcher Größenordnung“, bekräftigt Stumpenhusen.

Gespannt darf man sein, ob es der neuen Intendantin gelingt, die Stadt-Land-Schere zwischen dem hippen Berlin und dem eher betulich-ländlichen Brandenburg besser zu schließen. Was die Widerspiegelung der enormen Kreativität der hauptstädtischen Kulturszene im Programm angeht, so besteht noch reichlich Luft nach oben.
1,7 Millionen Euro zusätzlich will der RBB ins Programm investieren. Weitere fünf Millionen Euro stammen aus Umschichtungen. Seit der Umstellung von der gerätebezogenen Gebühr auf den haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag gehört der Sender nicht mehr zu den „armen Schluckern“ innerhalb der ARD. Da der RBB von dieser Reform überproportional profitiert, zählt er ab 2017 im Rahmen des ARD-internen Finanzausgleichs zu den Geberanstalten. Das hat auch Folgen für sein bundesweites Profil. Der RBB-Anteil an Zulieferungen zum ARD-Hauptprogramm steigt dann von jetzt 6,6 auf 7,1 Prozent. Schlesinger im hauseigenen Radio-Eins-Medienmagazin: „Die Arbeitsmöglichkeiten werden nicht geringer, sondern sogar ausgeweitet.“

Bis Ende 2018 will die Intendantin weitere Neuerungen angehen: „Die Reform ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf.“

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