Fünf Prozent weniger Stellen beim finnischen Rundfunk YLE
Eine spezielle Steuer sollte die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens in Finnland robuster machen. Doch dann drehten die Politiker an der Indexschraube. Jetzt müssen fünf Prozent der Beschäftigten gehen.
Zum Schluss wurde der Kahlschlag zwar eine Nummer kleiner, als ursprünglich angedroht. Doch Arto Nieminen ist gar nicht zufrieden. „Es sind die seit Jahrzehnten umfassendsten Entlassungen in der Branche”, betont der Vorsitzende des finnischen Journalistenverbands Suomen Journalistiliitto (SJL). Und Anssi Vuorio, Direktor der Mediensektion der Angestelltengewerkschaft PRO kritisiert: „Ein Unternehmen, dass vom Geld der Steuerzahler lebt, sollte die Arbeitslosigkeit nicht auch noch steigern.”
Im September hatte YLE, Finnlands Public-Service-Rundfunk- und Fernsehgesellschaft in Helsinki, mit der Ankündigung geschockt, man müsse 350 Arbeitsplätze streichen. Mit 185 direkten Kündigungen sei zu rechnen. Nach siebenwöchigen Verhandlungen mit den Gewerkschaften, die die künftigen Anstellungsverhältnisse von über 1000 YLE-Beschäftigten – einem Drittel der Belegschaft – betrafen, konnte man Mitte November zumindest teilweise Entwarnung geben. Nun sollen 160 Arbeitsplätze verschwinden. 74 durch Kündigungen, der Rest durch Ruhestand oder „natürliche Abgänge”.
Pirkko Epstein, Produzentin und Vertrauensfrau der YLE-Programmmitarbeiter ist enttäuscht: „Es wäre auch anders gegangen.” Drei Alternativmodelle hätten die Gewerkschaften präsentiert, bei denen man über Umstrukturierungen ganz ohne Kündigungen hätte auskommen können. Sie befürchtet, dass der nun anstehende Abbau von fünf Prozent des Personals zu verminderter Qualität und einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung der verbliebenen Mitarbeiter führen werde. Und sie wundert sich über die Kurzsichtigkeit der Personalplaner. Vor eineinhalb Jahren sei deren Botschaft gewesen, dass die Finanzierungsprobleme bei YLE nun endlich langfristig gelöst seien. Bis 2012 war die staatseigene Aktiengesellschaft Yleisradio (Allgemeinradio) ausschließlich über eine Rundfunkgebühr finanziert worden, die seit der Gebührenbefreiung für Radios 1977 in der Praxis zu einer Fernsehgebühr geworden war. Obwohl diese mit zuletzt jährlich 252 Euro je Haushalt zu den höchsten in Europa gehörte, war es immer schwerer geworden, damit ein ehrgeiziges Angebot von vier TV- und sechs Radio-Kanälen sicherzustellen.
Public-Service ist in Finnland mit YLE TV1 als größtem Kanal (Marktanteil ca. 25 Prozent) und einem Gesamtanteil von fast 50 Prozent am TV- und von über 50 Prozent am Radio-Markt der führende Akteur auf diesem Sektor. Auf dem Vertrauensindex der Medienunternehmen hält YLE in der finnischen Bevölkerung unangefochten den Spitzenplatz. Als schwindende Einnahmen bei den Lizenzgebühren zu wachsenden Budgetproblemen führten, einigte man sich im Parlament auch relativ schnell und einmütig auf einen Vorschlag der Sozialdemokraten, YLE über eine Steuer zu finanzieren. Seit 1. Januar 2013 wird die YLE-Steuer (YLE-verolla) erhoben, die in ihrer Höhe an das jeweilige Einkommen der Steuerzahler geknüpft ist und sich auf 0,68 Prozent des Jahreseinkommens beläuft. Ein Einkommen unter jährlich 7.353 Euro bleibt steuerfrei. Mindestens sind 50, höchstens 140 Euro jährlich fällig – bei einem Haushalt mit zwei Verdienern also maximal 280 Euro. „Stabiler und robuster” sollte laut Gesetzesbegründung diese Finanzierung sein und in Umfragen bezeichneten drei Viertel der Finnen sie auch als positiv und gerecht. 53 Prozent des jährlichen YLE-Budgets von rund 500 Millionen Euro bestehen aus Personalkosten. Um eine Koppelung der Steuer an die Lohn- und Preisentwicklung sicherzustellen, ist im YLE-Steuergesetz deshalb auch eine jährliche Anpassung an den jeweiligen Index festgeschrieben. Dabei zeigte sich allerdings sehr schnell, dass es nicht unproblematisch ist, sich so abhängig von der Politik und deren oft recht kurzfristigen Meinungsschwankungen zu machen.
Sozialabgaben beschnitten.
Finnland steckt derzeit in einer ernsten ökonomischen Krise mit steigender Staatsverschuldung. Über ein „Reform”-Paket wurden die Sozialausgaben kräftig beschnitten. Prompt waren schon wenige Monate nach Inkrafttreten der YLE-Steuer Stimmen laut geworden, die forderten: Wenn überall gespart werden muss, dann gefälligst auch beim Public-Service.
Vor allem seitens der konservativen Parteien, dem oppositionellen „Zentrum” und der regierenden „Sammlungspartei” wurde dabei mit den Interessen der kommerziellen Medienakteure argumentiert. Die Medienwelt könne „einseitig” werden, wenn diese Anbieter zum Sparen gezwungen seien, nicht aber YLE, meinte beispielsweise der „Zentrum”-Vorsitzende Juha Sipilä. In der Debatte spielte auch die Konkurrenz im digitalen Nachrichtenangebot eine Rolle: Mit den Steuergeldern finanziere YLE ein wachsendes kostenfreies Internetangebot, während die meisten Medien gezwungen seien, zu Bezahlmodellen überzugehen und es deshalb immer schwerer hätten, mit YLE zu konkurrieren.
Die Indexanpassung für 2014 – auf 51 Euro (Minimum) und 143 Euro (Maximum) – konnte zwar nicht mehr gestoppt werden, doch ab 2015 wurde diese ausgesetzt. Womit im YLE-Budget plötzlich 10 Millionen Euro fehlten – der unmittelbare Auslöser der jetzigen Kündigungen. Von längerfristiger Finanzierungs- und Arbeitsplatzsicherheit könne man also nicht sprechen, meint Pirkko Epstein: Der Kampf um die Sicherung von YLE-Arbeitsplätzen werde auch mit der neuen Steuer weitergehen.