Wenn Themen nach ihrer erwarteten Reichweite ausgewählt werden und nicht nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz für die Menschen vor Ort, dann gefährdet das den demokratischen Zusammenhalt und fördert den politischen Rechtsruck. Dagegen hilft eine Journalismusförderung nach ethischen Standards.
Meinung
Insbesondere Lokalmedien stehen aufgrund von Digitalisierung und Pressekonzentration finanziell unter Druck. Eine wirtschaftlich eigenständige Zeitung gibt es mittlerweile nur noch in der Hälfte der 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland. Was diese „Versteppung“ der Presselandschaft politisch bedeutet, hat der Sozialwissenschaftler und Journalist Maxim Flößer am Beispiel der Landtagswahlen 2021 in Baden-Württemberg untersucht. Ergebnis: „Wähler*innen in Gemeinden ohne Lokalzeitung stimmten häufiger für die AfD als in Gemeinden mit mindestens einer lokalen Zeitung.“ In den USA sei die Wahl von Donald Trump durch „Nachrichtenwüsten“ begünstigt worden. Die Lokalpresse spiele eine wichtige Rolle für Demokratiezufriedenheit. Sie genieße in Deutschland hohes Vertrauen und durch die lokalen Informationen fördere sie die Identifikation mit der Region. In Ostdeutschland gebe es aber nur noch wenige Lokalzeitungen, die die AfD kritisch beleuchten können.
In diese Lücke stoßen kostenlose Anzeigenblätter, die zunehmend rechte Narrative verbreiten – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. So werben AfD-Poliker*innen in allen Ausgaben für ihre Veranstaltungen, die Titel haben wie „Solarfelder und Windparks zerstören unsere Heimat“.
Gestaltet seien die Hauke-Medien wie andere Gratiszeitungen, sagt der Potsdamer Rechtsextremismusforscher Christoph Schulze. Mit Werbung lokaler Unternehmen und Informationen über örtliche Events wie Erdbeerfeste, erweckten die Blätter den Anschein lokaler Verankerung und Verlässlichkeit. Inhaltlich seien sie aber „eine Zeitung gewordene Telegram-Gruppe von Verschwörungsideologen“.
Diese demokratiefeindliche Entwicklung lässt sich nur durch eine Stärkung von Lokalmedien aufhalten, die ansprechbare Redaktionen vor Ort und Zeit für aufwändigere Recherchen haben, um auch Missstände aufzudecken, wie etwa Machtmissbrauch von Bürgermeistern. Doch das können Lokalredakteur*innen nicht, wenn Clickbaiting-Journalismus von ihnen erwartet wird. Bettina Steinke, Chefredakteurin von „der westen.de“, konstatierte 2022 in einem Interview, es sei „wahnsinnig anstrengend, ausschließlich Reichweiten-Storys zu produzieren und immer wieder diesen Traffic-Schwankungen ausgesetzt zu sein“. Diese Belastung sei ein Grund dafür gewesen, dass sie „sehr viele gute Kolleginnen und Kollegen verloren“ hätten. Auch Jonathan Sachse, bis September dieses Jahres Leiter von „correctiv.lokal“, das fast 2.000 Medienschaffende vernetzt, berichtete im Februar, Kolleg*innen spürten häufig Druck im eigenen Medienhaus, „viele Klicks oder Abos zu generieren, der den eigentlichen Auftrag überschatte“. Gleichzeitig suchten sie nach Finanzierungslösungen für den Lokaljournalismus und sammelten Argumente, „wie sie im eigenen Haus selbstwirksamer werden können“.
In ihrer Studie „Wüstenradar“ haben Christian-Matthias Wellbrock und Sabrina Maaß von der Hamburg Media School 2024 die „Versteppung“ der Tageszeitungslandschaft und Handlungsoptionen untersucht. Zur Stärkung des Journalismus setzen sie zunächst auf staatliche Maßnahmen wie Steuererleichterungen, die Anerkennung des Journalismus als gemeinnützig, die Subventionierung journalistischer Stellen, Innovationsförderprogramme, Nachfrage- und Medienkompetenzförderung sowie Distributionsförderung. „Kriterien, die dem Pressekodex ähneln,“ sollten sicherstellen, dass nur journalistische Angebote gefördert werden, die Aufgaben der Massenmedien in demokratischen Gesellschaften erfüllen. Angebote, die andere Ziele verfolgen (etwa Propaganda), sollten ausgeschlossen werden.
In Österreich verlangten Nachwuchs-Journalist*innen im Juni dieses Jahres „verbindliche Ethikstandards als Voraussetzung für Presseförderung“. In einer Unterschriftensammlung konkretisierten sie ihre Forderungen: „Anerkennung des Presserats als Fördervoraussetzung, verbindliche ethische Kriterien für alle staatlich geförderten Medien, jährliche Evaluierung des Ehrenkodex auf Basis aktueller Forschung und ein klares politisches Bekenntnis zur Stärkung ethischen Journalismus.“
Ein solches politisches Bekenntnis zum ethischen Journalismus gibt es in Deutschland leider nicht. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sagte im Mai: „Ich bin grundsätzlich skeptisch, wenn der Staat anfängt, sich in den Journalismus einzumischen, egal, wie gut das Motiv dafür ist.“ Fraglich wird da auch die im schwarz-roten Koalitionsvertrag verankerte Aussage, Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen. Doch viele NGOs in der Bundesrepublik setzen sich weiterhin hartnäckig dafür ein. Hoffnung machen auch die vielen Medienschaffenden, die ohne Reichweitendruck selbstbestimmt recherchieren und schreiben wollen. Sie könnten den demokratischen Zusammenhalt mit verantwortungsethischer Berichterstattung wieder fördern.

