Nichts ist erledigt
Von Günter Frech | Die Umbenennung eines Teils der alten Berliner Zeitungsgasse Kochstraße in Rudi Dutschke Straße soll zu einem „Schlußpunkt von 1968“ genutzt werden. „Genug, weg damit!“ fordert der stellvertretende taz-Chefredakteur Peter Unfried. Urheberin der Straßennamensänderung ist die taz, die in der Kochstraße – jetzt Rudi Dutschke Straße – ihren Sitz hat. „Ein Symbol für die gesellschaftliche Versöhnung der Generationen“ möge die Straße sein, so die Begründung. Schulbubengleich nach einem Streich freuen sich die taz-Leute, dass „ihre“ Straße nun auf die Axel Springer Straße stößt. Muss Dutschkes Sohn Marek gleich „eine Ecke der Versöhnung“ daraus machen?
Die Ecke Dutschke/Springerstraße ist gelebte Ironie. Es war überfällig, dass dieses Land diese Straße bekommt. Dass die taz die Vorreiterin gegeben hat, ist beinahe komisch. Erinnern wir uns: Diese ehemals links-alternative Zeitung wurde elf Jahre nach Achtundsechzig von jenem Teil der „Bewegung“ gegründet, die sich so gut wie jeder Theorie verweigert hat – von den Spontis und Antiautoritären. Theorie machte Arbeit und Arbeit war lustfeindlich. Als belesen galt schon, wer aus „Das Recht auf Faulheit“ von Paul Lafargue zitieren konnte. So war es auch folgerichtig, dass die taz in ihren Anfangsjahren eher Aktionen und alternative Lebensentwürfe denn Debatten in größeren gesellschaftspolitischen Zusammenhängen widerspiegelte. Was durchaus verdienstvoll war. So bekam eine etwas größere Öffentlichkeit mit, was im sogenannten „linksalternativen Spektrum“ vor sich ging. Schade war nur – und ist es immer noch –, dass sich die taz kaum dem eher traditionellem Teil des linken Kosmos öffnete. Heute bildet die taz den gutsituierten ökobewußten Mittelstand ab.
Wenn nun Peter Unfried in Bezug auf Achtundsechzig auf „Ende der Debatte“ plädiert, signalisiert er, dass die taz-Klientel in der überfüllten Mitte angekommen ist und verordnet Ruhe. Das ist umso erstaunlicher, da die soziale Frage wieder gestellt wird und junge Menschen verstärkt zu den Klassikern der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung greifen. Und Achtundsechzig ist mitnichten so aufgearbeitet, als dass man sich „das ganze Bild“ darüber machen kann. Von Versöhnung ganz zu schweigen. Solange die Grenze zwischen unten und oben zementiert ist und der Springerverlag seinen Dreck unter die Menschen bringt, ist das Transparent, das Klaus Staeck unweit des Brandenburger Tores, an die Akademie der Künste, anbringen lies, aktueller denn je: „Nichts ist erledigt“.
Wertlose Versprechen
Von Karin Wenk | Versprechen von Geheimdiensten sind nichts wert. Offenbar dienen sie nur der Abwiegelung und Ablenkung, mehr wohl nicht! Dann werden weiter ungeniert Grundrechte verletzt und die Demokratie scheint machtlos. Der neue Skandal von Journalistenbespitzelung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) ist Beleg dafür. Monatelang las der BND die Mails der Spiegel-Journalistin Susanne Koelbl mit. Interessant für den Dienst dabei der E-Mail-Austausch mit dem afghanischen Handelsminister Amin Farhang. Soviel zumindest ist seit April bekannt! Das löste durchaus ein mittleres Beben sowohl im Staate als auch außenpolitisch gegenüber dem „Freundesland“ aus. Empörend an dieser Geschichte ist nicht nur wie dieser Tatbestand das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Nicht etwa, indem BND-Präsident Ernst Uhrlau das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) informierte. Im Gegenteil, durch einen offenbar aus dem BND stammenden anonymen Brief an Vertreter desselben. Noch unglaublicher ist, dass diese Ausspähung Anfang Juni 2006 begann, just in jenen Tagen als der BND gerade einen deftigen Skandal überstanden zu haben schien. Völlig rechtwidrig waren auch damals Journalisten observiert und bespitzelt worden. Und Uhrlau gab eben jenes Versprechen ab, dass künftig vor dem Privatbereich des Journalisten Halt gemacht werde. Er wolle nun „sicherstellen, dass so etwas wie der Eindruck der Journalistenüberwachung nicht entsteht“, bekundete er öffentlich. Dafür sei Transparenz wichtig! Leere Worte, wie sich nunmehr erneut zeigte. Für die dju in ver.di reichen daher eine „bloße Entschuldigung von Herrn Uhrlau“ und auch die vollständige Aufklärung des Falles nicht aus. Die dju forderte umgehend „personelle Konsequenzen“ und „einen gesetzlichen Riegel“ für derartiges geheimdienstliche Vorgehen sowie die Ausweitung der Befugnisse des PKG.
Aber nein! Obwohl Politiker, darunter die Kanzlerin von einem „gestörten Verhältnis“ zu Uhrlau sprechen, musste der BND-Frontmann bisher nicht gehen. Mitarbeiter wurden versetzt, neue Anweisungen erlassen und ein neues Versprechen abgegeben: Es nie wieder zu tun! Wer das glaubt? In einer Zeit der Debatte um die Grenzen der Bürger-Überwachung durch den Staat im Fahrwasser der Terrorismusbekämpfung gruselt es einen angesichts der jüngsten Verstöße gegen die Pressefreiheit. Die Computertechnik macht schon heute fast alles möglich. Aber kann diese Behörde, die der Chef offensichtlich nicht im Griff hat, damit verantwortungsvoll umgehen? Zweifelhaft!