Ein großer medienpolitischer Wurf ist nicht erkennbar
Der Koalitionsvertrag steht und damit sind auch die medienpolitischen Vorhaben von CDU, CSU und FDP fixiert. Richtig, aber zu zaghaft sind die Vereinbarungen zur Stärkung des Kommunikationsgeheimnisses und zum besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten. Daneben konnten sich die Verleger mit zwei umstrittenen Forderungen durchsetzen: Es soll ein Leistungsschutzrecht für Onlineinhalte geben und das Pressefusionsrecht soll auf den Prüfstand. Vor allem letzteres ruft bei ver.di erheblichen Widerspruch hervor.
Einen deutlichen Schwerpunkt schwarz-gelber Medienpolitik bildet das Urheberrecht. Nach den beiden letzten großen Novellen, die vor allem der Umsetzung von EU-Vorgaben galten, soll in dieser Legislaturperiode der „Dritte Korb“ kommen. Ziel ist, insbesondere Urheberrechtsverletzungen im Internet wirksamer zu bekämpfen. Im Interesse der Urheberinnen und Urheber ist das nur begrüßenswert. Wie genau das aber gehen soll, lässt die Koalition offen. Immerhin wurden Internetsperren für Urheberrechtssünderinnen und -sünder wie in Frankreich ausgeschlossen. Solche Maßnahmen hätten einen zweifelhaften Eingriff in Datenschutz und Kommunikationsgeheimnisse sowie das Recht auf Kommunikation bedeutet.
Verleger fordern Leistungsschutzrecht
Spannender ist da schon die Frage des Leistungsschutzrechts, das laut Koalitionsbeschluss nun auch Presseverlage für ihre Onlineinhalte erhalten sollen. Damit ernten die Verlage die Früchte ihrer steten Lobbyarbeit. Seit Monaten warben sie für eine solche Regelung, wenngleich bis heute nicht klar wurde, wie ein solches Recht überhaupt funktionierend ausgestaltet sein soll. In jedem Fall muss ein Leistungsschutzrecht die Leistungen der Urheberinnen und Urheber berücksichtigen.
Wenn Verlage Geld für die Auffindbarkeit oder Verwertung ihrer Onlinetexte kassieren wollen, dann muss ein Gutteil davon an die Autorinnen und Autoren fließen. Denn sie sind es, die die kreativen Leistungen erbringen und damit überhaupt für Inhalte sorgen. Ein Leistungsschutzrecht darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die Verlage einzig und allein ihre klammen Kassen aufbessern.
Besserer Schutz von Journalisten
In die richtige Richtung gehen die Ansätze in Sachen Pressefreiheit. Hier hat die Koalition vereinbart, dass sich Journalistinnen und Journalisten künftig nicht mehr der Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen strafbar machen, wenn sie Material veröffentlichen, das ihnen vertraulich zugeleitet wurde. Auch die Ankündigung, dass journalistisches Recherchematerial nur noch bei „dringendem“ Tatverdacht beschlagnahmt werden kann, trägt zu einer Stärkung der Pressefreiheit bei. Dennoch bleiben Journalistinnen und Journalisten „Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse“. Denn die Gleichbehandlung von Ärzten, Anwälten, Abgeordneten, Geistlichen und Journalisten nach §53 der Strafprozessordnung (StPo) wird weiterhin unterlaufen durch Regelungen der §160a Abs.1 StPo und § 20u Abs.1 BKA-Gesetz, in denen Abhör- und Ermittlungsmaßnahmen nur für einzelne Gruppen ausgeschlossen sind. Nach dem Willen der Koalition sollen zwar in Zukunft auch Anwältinnen und Anwälte in den absoluten Schutz einbezogen werden, für andere Gruppen aber – wie Journalistinnen und Journalisten – soll dies lediglich geprüft werden. Das reicht keineswegs aus. Klar ist, dass alle zur Zeugnisverweigerung berechtigten Personen gleichbehandelt werden müssen. Investigativer Journalismus muss ausreichend geschützt sein, wenn er seinem gesellschaftlichen Auftrag nachkommen soll.
Ein viel zu zögerlicher Schritt ist auch die vorgesehene Einschränkung der Verwendung der Daten aus der Vorratsdatenspeicherung. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollen Daten nur noch in Fällen konkreter Gefahr für Leib, Leben und Freiheit herausgegeben werden. Sollte das Gericht die Vorratsdatenspeicherung gutheißen, bleibt sie in Kraft. Das aber ist ein vollkommen falsches Signal. Sie muss vielmehr gänzlich zurückgenommen werden.
Schnelles Internet – nicht so schnell
Beim Thema Breitband-Internet enthält der Koalitionsvertrag ein eindeutiges Bekenntnis zum flächendeckenden Ausbau. Was aber vereinbart wurde, lässt erahnen, dass die „weißen Flecken“ auf der Internetlandkarte so schnell nicht geschlossen sein werden. Denn dazu bedürfte es deutlicher Subventionen oder Investitionen von Bund und Ländern, um den schleppenden Breitbandausbau vor allem in strukturschwachen Regionen voranzubringen. Es ist aber davon auszugehen, dass die neue – mehr noch als die alte – Bundesregierung auf öffentliche Investitionen verzichten wird. Konkrete Investitionssummen jedenfalls lässt der Koalitionsvertrag vermissen.
Pressevielfalt in Gefahr
Es bleibt das nebulöse, aber keineswegs harmlose Vorhaben, das Medienkonzentrations- und Pressefusionsrecht zu überprüfen. Wer das anstrebt, kann nur Erleichterungen bei Pressefusionen im Sinn haben. Vor wenigen Monaten erst hatte die Verlegerseite entsprechende Veränderungen im betreffenden Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in die Debatte geworfen. Das würde aber zu einer weiteren Monopolisierung auf dem Pressemarkt führen und keineswegs zur Pressevielfalt beitragen. Klar ist, dass sich das geltende Pressefusionsrecht bewährt hat und nicht angetastet werden muss. Eine Koalition, die sich dem stärkeren Schutz von Journalistinnen und Journalisten verpflichtet fühlt und dies mit der Stärkung der Pressefreiheit begründet, kann nicht im gleichen Atemzug die geltenden Regelungen im Pressefusionsrecht in Frage stellen. Denn Pressefreiheit nützt wenig, wenn sie durch fehlende Pressevielfalt konterkariert wird.
Stephan Kolbe ist Koordinator für Medienpolitik beim ver.di-Bundesvorstand