Internet-Suchmaschine auf dem Weg zum totalen Wissen über Nutzerinnen und Nutzer
Werden wir alle zu Informanten von Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten? Die Frage scheint nicht unberechtigt. Ende März dieses Jahres berichtete die San Fancisco Chronicle unter der Überschrift „Google hat einiges mit Geheimdiensten zu tun“ („Google has lots to do with intelligence“) über die seit einiger Zeit nicht mehr geheimen Kooperationen von Google mit der CIA und anderen US-Dienststellen. Bislang geht es bei dieser Zusammenarbeit um technisches Knowhow, bei dem die Betreiber der Internet-Suchmaschine bekanntlich unangefochten Marktführer sind.
Doch Google auf die für uns Journalisten so komfortable Internet-Suchmaschine zu reduzieren, ist schon lange Schnee von gestern. Google wird zu einer wildwuchernden Daten-Krake, die auch von uns Medien-Mitarbeitern kräftig gefüttert wird. Erst vor einigen Wochen ist Google als der klangvollste unter den Top-Firmennamen geadelt worden. Google sei die wertvollste Marke der Welt, besagte eine im April veröffentlichte Studie. Demnach ist Google über 86 Milliarden US-Dollar wert.
Die beindruckende aber auch zweifelhafte Erfolgsgeschichte von Google hat jetzt der österreichische Journalist Gerald Reischl in dem Buch „Die Google-Falle“ niedergeschrieben. Reischl kommt zu der Schlussfolgerung, seit der ersten Patentierung einer Nutzer-Analyse sei klar, „welche Ziele Google seit Anfang an verfolgt hat: Das totale Wissen über den Nutzer.“
Wissen ist Macht und Geld
Wissen ist Macht, für Google vor allem auch Geld. Je genauer die Macher in Mountain View im Silicon Valley (Kalifornien) darüber Bescheid wissen, was die Internet-Nutzer – natürlich nur noch User genannt – so alles treiben, wofür sie sich interessieren, woran sie arbeiten, umso treffsicherer können sie die entsprechende Werbung an den Mann und an die Frau bringen. Und das füllt die Kassen.
Was bei der Werbung so ausgezeichnet funktioniert, lässt sich natürlich mühelos auch für eine Erkenntnisgewinnung ganz anderer Art verwenden. In der Regel ist das Raster noch grob, aus dem Google seine Erkenntnisse filtert. Wenn also der Kollege XY zuhause am Rechner sitzt und für seine Recherche googelt, so können die Suchmaschinenbosse anhand der IP-Adresse nur einigermaßen genau orten. Die IP-(Internet-Protokoll)-Adresse ist eine Zahlenkette, die – wie eine Telefonnummer – nur einmal vergeben und einem Rechner zugeteilt wird. Freude kommt bei Google auf, wenn der Kollege XY beispielsweise auch noch sein E-Mail-Konto bei Googlemail eröffnet. Dann hat die IP-Adresse auch noch einen Namen und eine Anschrift, und alle Internetbewegungen des Kollegen XY können somit präzise ihm zugeordnet werden.
Wer dann über Google seinen E-Mail-Verkehr abwickelt, sollte wissen, dass die Suchmaschinisten auch da sehr findig sind. Die E-Mails werden gescannt, um aus dem Text Rückschlüsse für die Werbewirtschaft zu ziehen. Bildlich gesprochen macht Google eben mal den Brief auf und schaut, ob da verwertbare Informationen drin sind. Dass es sich hierbei „nur“ um Erkenntnisse für die Werbewirtschaft handeln soll, kann niemanden ernsthaft beruhigen. Dass hier auch Erkenntnisse über das Informationsumfeld eines Journalisten abfallen, ist für die Sucher sicher ein gefundenes Fressen. Reischl meint: „Unbestritten ist, dass ein US-Unternehmen im Besitz eines Datenschatzes ist, mit dem die Welt kontrolliert und – theoretisch – manipuliert werden kann.“ Und Google manipuliert kräftig und es trifft auch wieder uns Journalisten. Wer einen Suchbegriff eingibt, bekommt die Treffer nach dem Google „Ranking“ geliefert d.h. die Reihenfolge der aufgeführten Treffer wird von Google nach den Schwerpunkten des Firmeninteresses festgelegt. Und so ist auch das Ergebnis statistisch zumindest im Sinne des Erfinders. Die ersten Treffer werden mit übergroßer Mehrheit als Ergebnis akzeptiert. Wir Journalisten machen da wohl kaum eine Ausnahme.
Je personenbezogener Google das Internetverhalten jedes einzelnen Nutzers zuordnen kann, desto wertvoller sind die Daten, die dort gespeichert werden. Und so schielen wohl nicht nur jenseits des Atlantiks offizielle Stellen auf den großen Datenhappen, den Google in den gut gekühlten Rechenzentren zu liegen hat. Reischl: „Auch wenn es der Regierung und George W. Bush noch nicht gelungen ist, Zugang in das globale Google-Netzwerk zu erlangen, es wird wohl immer wahrscheinlicher, dass die Nachfolger es neuerlich probieren werden – ob sie nun demokratisch oder republikanisch denken. Die Gründe, warum die US-Regierung gerne Einblick in Googles ‚Datenschatz‘ erlangen würde, liegen auf der Hand: ‚Weil Google die größte Detektei der Welt ist‘, wie es der Grazer TU-Professor Hermann Maurer bezeichnet.“ In die Mühlen einer solchen Detektei zu geraten, ist keine erbauliche Perspektive.
Nicht in der Falle landen
Aus den, im Internet hinterlassenen Spuren lässt sich ein Interessensprofil mit sehr hoher Aussagekraft über eine Person erstellen, meint auch der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert. Besonders warnend verweist der Datenschützer auf Google: „Hier kann auch ein Kommunikations-, Bewegungs- oder Berufsprofil erstellt werden“, warnte Weichert. Ein Problem, mit dem sich die gewerkschaftlich organisierten Journalisten in den kommenden Jahren noch verstärkt auseinandersetzen müssen, um nicht am Ende doch in der Google-Falle zu landen.
Buchtip
Gerald Reischl: Die Google-Falle
Die unkontrollierte Weltmacht im Internet
Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2008
192 Seiten, Hardcover m. Schutzumschlag
EUR 19.95 / ISBN 978-3-8000-7323-8