Birmanischer Journalist Win Tin endlich auf freiem Fuß

Erleichterung nach 19 Jahren

Am 23. September kam der Journalist und stellvertretende Präsident der Birmanischen Autorenvereinigung aus dem Gefängnis frei – nach mehr als 19 Jahren hinter Gittern. Am 4. Juli 1989 war Win Tin verhaftet und anschließend zu 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden.

Dem Redakteur der Tageszeitung Hanthawaddy wurde regierungsfeindliche Propaganda unterstellt – nicht nur wegen seiner journalistischen Arbeit, sondern auch weil er enger Mitarbeiter der Friedensnobelpreisträgerin und birmanischen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi war. Deren Nationale Liga für Demokratie gewann zwar 1990 die Parlamentswahlen, aber die herrschenden Militärs akzeptierten das Abstimmungsergebnis nie und sind bis heute an der Macht. Die Junta ist seither für die Unterdrückung jeder Opposition sowie von Meinungs- und Pressefreiheit berüchtigt. Regierungsunabhängige Medien gibt es nicht, und auch das Internet wird in Birma zensiert. Wer beispielsweise versucht, sich als Blogger kritisch zu äußern, muss mit drakonischen Strafen rechnen.
Als sich die Gefängnistore öffneten, gab sich Win Tin kämpferisch: „Ich werde weiter politisch aktiv sein“, meinte der 78-Jährige. „Ich habe meine politische Rolle nie aufgegeben und ich werde weiter die Nationale Liga für Demokratie unterstützen.
Im Gefängnis war Win Tin mehrmals misshandelt worden. Aufsehen erregte er, als er sich 1996 bei Besuchern der Vereinten Nationen offen über die Haftbedingungen beschwerte. Zur Strafe wurden diese noch einmal verschärft. Win Tins Gesundheitszustand verschlechterte sich daraufhin. Nur weil die internationale Öffentlichkeit sein Schicksal genau im Blick hatte, erhielt er medizinische Versorgung.
„Wir haben jahrelang für Win Tins Freiheit gekämpft und sind nun sehr erleichtert, dass er endlich entlassen wurde“, freut sich Robert Ménard, der scheidende Generalseketär der Reporter ohne Grenzen. Mit dieser Freude steht er nicht allein. Auch bei Amnesty International, dem Komitee zum Schutz von Journalisten und bei der Internationalen Journalistenvereinigung ist man glücklich, dass der Einsatz für Win Tins Freilassung schließlich doch noch erfolgreich war.
Mehr als tausend Gefangene wurden amnestiert, nach offiziellen Angaben handelt es sich um einen Straferlass vor den für 2010 geplanten Wahlen. Mit Win Tin kamen auch mindestens weitere sechs aus politischen Motiven Inhaftierte auf freien Fuß. „Das ist die beste Nachricht aus Birma seit langem“, meint Benjamin Zawacki von Amnesty International. „Doch die sieben hätten niemals inhaftiert werden dürfen. Und es gibt viele, viele weitere, die ebenfalls freigelassen werden müssen, weil sie lediglich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben.“ Unter den zahllosen noch immer inhaftierten Menschen in Birma sind nach Angaben der Reporter ohne Grenzen mindestens acht Journalisten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

krassmedial: Diskurse gestalten

Besonders auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Telegram verbreiten sich rechtsextreme Narrative, die zur Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wie Journalist*innen dem entgegen wirken und antidemokratische Diskursräume zurückgewinnen können, diskutierten und erprobten etwa 70 Teilnehmende der diesjährigen #krassmedial-Sommerakademie von ver.di am Wochenende in Berlin-Wannsee.
mehr »