Berliner Verlag: Kündigungsdrohungen und Ungewissheit
Im Berliner Verlag seit dem Verkauf der Frankfurter Rundschau: Von strategischem unternehmerischen Handeln keine Spur. Stattdessen Streichen, Sparen, Auslagern. Die Berliner Zeitung steht vor der größten Kündigungswelle seit Jahren. Über den Berliner Kurier ist die Woge schon hinweg. Gerüchte über weitere Umstrukturierungen im Verlag wabern. Webshop und Leserreisen wurden in die DuMont Shop GmbH nach Köln ausgelagert. Ob auch Anzeigenabteilung und Dokumentation outgesourct werden, ist bislang unklar. Anscheinend steht alles auf dem Prüfstand.
Die Beschäftigten bei Berliner Zeitung und der Redaktionsgemeinschaft mit der FR (ReGe) leben seit Wochen unter dem Damoklesschwert, dass fast jeder Dritte gehen muss – 46 Stellen sollen abgebaut werden, 32 von aktuell 128 aus der bisherigen Mantelredaktion für Berliner und FR und bis zu 14 in der 29-köpfigen Autoren-ReGe. Die genauen Planungen waren lange geheim, selbst die Betriebsräte wurden zum Stillschweigen verpflichtet. Doch die Redaktion „möchte mitreden“, hat man den Entscheidungsträgern mitgeteilt. Dass bislang nie diskutiert wurde, „wie das Niveau der Print- und der Online-Ausgabe der Berliner Zeitung unter solchen Bedingungen erhalten bzw. verbessert“ werden könne, kritisierte der gewählte Redaktionsausschuss und lieferte einen Forderungs- und Vorschlagskatalog, der nach einer Befragung entstand. Bislang folgenlos.
Gleichzeitig sollten sich die Redakteure/innen für oder gegen ein freiwilliges Abfindungsmodell entscheiden, das mal ausgesprochen, beendet, wieder verlängert und erneut geschlossen wurde. Katze-im-Sack-Kaufen ist nichts dagegen. Der Druck erhöhte sich, als die Geschäftsführung ankündigte, „im Zuge des anstehenden Personalabbaus“ nach Altersgruppen und zwischen denen proportional kündigen zu wollen. Eine solche Sozialauswahl solle sichern, dass nach dem Kahlschlag eine „ausgewogene“ Altersstruktur erhalten bleibe. Das sei rechtlich zulässig. Aber auch ohne Mitsprache des Betriebsrates? Der hält das Vorgehen für einen juristischen Irrweg. Der Konflikt ist programmiert. Immerhin konnten die Interessenvertreter beim Berliner Kurier sichern, dass nur zehn statt der geplanten 13 Stellen abgebaut wurden. Die Verbleibenden erhalten eine Beschäftigungsgarantie bis 31. März 2014.
Am 9. April hat dieDuMont Digitale Redaktion Insolvenz angemeldet. In der GmbH mit Sitz in Frankfurt/Main wurden die überregionalen Online-Auftritte und Apps für Berliner Zeitung und FR produziert. Da der FR-Auftrag passé ist, wollten die Beschäftigten – davon arbeiten drei Festangestellte und zehn feste Freie in Berlin – Klarheit und wurden monatelang hingehalten. In einem Offenem Brief machten sie darauf aufmerksam, dass nicht nur das insolvente Druck- und Verlagshaus Frankfurt, sondern zu 20 Prozent auch der DuMont-Konzern und zu 40 Prozent der Berliner Verlag Gesellschafter dieser Redaktionsgesellschaft sind. Wie die angekündigte stärkere Verzahnung von Print und Online künftig aussehen soll, steht in den Sternen.
Der Betriebsrat des Berliner Verlages beginnt mit der Geschäftsführung nun Verhandlungen über den Stellenabbau. „Wir wollen einen Sozialplan abschließen“, versichert Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch, unabhängig davon, dass in unserem Sozialtarifvertrag bereits Abfindungsregelungen vereinbart sind. „Für die Betroffenen gilt dann die günstigere Regelung. Außerdem geht es um Transfermaßnahmen und Schulungen für langjährige Beschäftigte.“ Insgesamt sieht die Betriebsratvorsitzende die aktuelle Lage „schlimmer als seinerzeit unter der Heuschrecke Mecom. Alle Maßnahmen führen zur Zerschlagung des Berliner Verlages in kleine Teile und zur Unterlaufung des Haustarifvertrages.“