Läßt man das persönliche Schicksal von Hartmut Schergel außer acht, dann kann man eigentlich nur zu dem Schluß kommen: Einen größeren Gefallen hätte Alfred Neven DuMont dem deutschen Journalismus nicht tun können. Der mehr oder weniger erlahmten Diskussion um Redaktionsstatuten, Zensur, Selbstbeschneidung, vorauseilenden Gehorsam, Pressefreiheit und Verlegerinteressen hat er neuen Wind gegeben.Aus dem Haus DuMont, das offenbar kein Einzelfall ist, ist weit mehr bekannt geworden, als dem Verleger recht sein dürfte. So gibt es zwar keine offizielle schwarze Themen-Listen, doch wisse man eben um die Vorlieben und Abneigungen der Familie DuMont: „Diese Liste gibt es zwar nicht auf Papier, sie ist aber doch in unseren Köpfen“, ist von Redakteuren des Hauses DuMont zu hören.
Was in Köln durch Grobschlächtigkeit des Verlegers Neven DuMont ans Tageslicht gekommen ist, findet sicher auch Parallelen in anderen Redaktionen.Daß unter solchen Umständen die Verlegerlaune zum Rahmen für die Pressefreiheit wird und Journalismus in Zukunft bedeutet, erst einmal Rücksicht auf wirtschaftliche und persönliche Interessen des Verlegers zu nehmen, läßt sich weder gesellschaftlich noch vom Berufsverständnis her tragen. Auch daß Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz haben, ist verständlich. Doch wenn alle kneifen, fliegt der nächste noch schneller, wahrscheinlich aus einem viel banaleren Grund als Hartmut Schergel.Wenn sich da in den Redaktionen nichts tut, verkommt Journalismus zur Hofberichterstattung: Jedem Fürsten seine Zeitung und seine leibeigenen Schreiberlinge.