TV-Produzenten hoffen auf „Renovierung der Partnerschaft“
Die Diskussion um das Spannungsverhältnis von Quote und Qualität begleitet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk spätestens seit dem Marktzutritt privatkommerzieller Sender. Unter der Überschrift „Erfolg durch Qualität“ diskutierten unlängst in Berlin Entscheidungsträger aus denMedien dieses Spannungsfeld durchaus kontrovers.
„Ist der nationale, öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich angesichts der internationalen Medienentwicklung ein Knappheitsmedienvehikel von gestern, vom Bundesverfassungsgericht so aufgepäppelt, oder brauchen wir ihn erst recht im 21. Jahrhundert als Orientierungs- und Qualitätsmaßstab im Medienwirrwarr“, fragte Antje Karin Pieper, Sprecherin des Berliner Initiativkreises öffentlich-rechtlicher Rundfunk (BIKÖR) bei der gemeinsam mit dem Rundfunkbeauftragten der EKD veranstalteten Debatte. Eine doch wohl eher rhetorisch gemeinte Frage. Natürlich zieht Pieper ebenso wenig wie ihre BIKÖR-Mitstreiter die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Zweifel. Aber sie sorgt sich vor dem Hintergrund von Finanzknappheit und Quotendruck um den Erhalt der Programmqualität.
Zum Beispiel Recherche. In Sachen Information werden ARD und ZDF vom Publikum nach wie vor die besten Noten ausgestellt. Allerdings, so Joachim Wagner, stellvertretender Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, steige die Zahl der Informanten, die für Nachrichten, Papiere oder Akten Geld verlangen. An Geschichten wie den Fall Kurnaz zum Beispiel komme die ARD nicht ran. Solche Skandale landeten eher beim Stern, der Honorare von 20.000 Euro und mehr für verwertbare Informationen zahle. Denn Scheckbuchjournalismus spiele beim öffentlich-rechtlichem Rundfunk kaum eine Rolle. Ausnahmen, so Wagner, bestätigen die Regel. Die „Motivationslage“ der Informanten sei gelegentlich „schwierig“. Magazinjournalisten der ARD, die sich durch hartnäckige Recherche auszeichnen, würden gern auch mal vom Spiegel oder anderen Medien weggekauft. Unter den Bedingungen des Markts sei die ARD hier nicht konkurrenzfähig, bedauerte Wagner.
Qualität und Quote schließen sich nicht aus
Auch in der Produktion wachsen die Zwänge. Diese Erfahrung machen vor allem die mittelständischen TV-Produzenten. Sie klagen – bei allem Lob über die zuverlässige Kooperation mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten, über Knebelverträge. Gewünscht wird eine gerechtere Beteiligung an den Erlösen, die die erweiterte Verwertungskette für Filme und Serien im digitalen Zeitalter einbringt. Alexander Thies, Produzent bei der „Neuen Filmproduktion tv“ Berlin, plädierte für die „Renovierung der Partnerschaft“ zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den Produzenten. Er wünscht sich und den Produzenten im Austausch für ein „hohes Maß an interessanten Programmen“ mehr Spielraum bei der weiteren Verwertung.
Qualität und Quote, auch das eine Binsenweisheit, schließen einander nicht aus. Doch reichen selbst quotenstarke Qualitätsprogramme nicht, um die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern. Meint Claudia Schmidt, Hauptabteilungsleiterin Unternehmensplanung beim Westdeutschen Rundfunk. Die junge Generation wende sich auf dramatische Weise von ARD und ZDF ab. Ob WDR oder Deutschlandradio – bei den meisten öffentlich-rechtlichen Sendern liegt der Altersdurchschnitt bei 60 Jahren. Demgegenüber erfüllen Privatsender wie Pro Sieben (37 Jahre) oder RTL (49 Jahre) die Wünsche der Markenartikler nach werberelevanten, jüngeren Zielgruppen. Die Jugend, so Schmidt, informiere und unterhalte sich zunehmend im Internet, lege Wert auf eine orts- und zeitsouveräne Nutzung der Medien. Folglich komme es darauf an, das qualitativ hochwertige Angebot verstärkt an die veränderten Mediengewohnheiten anzupassen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, so ihre Forderung, müsse die Chance haben, „auf all diesen neuen Distributionsplattformen unsere Angebote kostenfrei anzubieten, denn sonst können wir an dieser Entwicklung nicht teilnehmen“.
Nicht überall mitmischen
Dagmar Reim, Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, hat da so ihre Zweifel. Angesichts der restriktiven Gebührenpraxis müssten die Anstalten sich bescheiden, könnten nicht auf allen neuen Verbreitungswegen mitmischen. Sie setzt auf die Altersweisheit eines in die Jahre kommenden Publikums. Sie habe das Gefühl, „dass junge Menschen, die uns heute definitiv nicht sehen und die mit ProSieben und Anderen aufwachsen, doch zu uns kommen könnten, wenn die Tage schattiger werden und sie wissen, was ein Bausparvertrag und eine Ehe und sonstige Dinge sind“. Sollte der demographische Faktor entgegen allen bisherigen Erwartungen am Ende doch zu Gunsten der Öffentlich-Rechtlichen ausschlagen? Die Antwort, so heißt es bei Bob Dylan, weiß ganz allein der Wind.