Journalisten im Visier

Übergriffe gegen deutsche Korrespondenten in Russland

Eigentlich war es eine ganz normale Kundgebung der Opposition in Sankt Petersburg. „Eine der friedlichsten Veranstaltungen seit langem“, berichtete der russische ARD-Korrespondent Stephan Stuchlik. Plötzlich jedoch kesselte die Polizei die Kreml-Kritiker an jenem 15. April ein.

Stuchlik suchte das Gespräch mit Augenzeugen. „Als ich mich umdrehte, spürte ich auf einmal einen Schlag ins Gesicht.“ Kurz darauf wurde er in den Bauch getreten und ein einen Polizeibus gebracht. Erst nach Feststellung seiner Personalien kam er wieder frei. Schon tags zuvor waren in Moskau zwei Kollegen des ZDF vorüber­gehend festgenommen worden. Auch ein japanischer Fotograf, ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters sowie mehrere russische Journalisten wurden Ziele von Polizeiübergriffen. Alle verfügten über gültige Akkreditierungen.
Der Vorsitzende der ARD, Fritz Raff, und ZDF-Intendant Markus Schächter protestierten bei Präsident Wladimir Putin: „Die rüden Übergriffe sind völlig inakzeptabel. Wenn die Sicherheitskräfte in Ihrem Land das Recht auf freie Berichterstattung derart missachten, fügt dies dem internationalen Ansehen Russlands schweren Schaden zu. Für ein Land, das für sich in Anspruch nimmt, demokratisch legitimiert zu sein, muss die Freiheit der Bericht­erstattung gewährleistet bleiben und geschützt werden“, heißt es in einem Brief an den Kreml-Chef. Moskau bedauerte schließlich die Vorfälle. Ein Pressesprecher Putins räumte ein, dass es „inkorrekte Handlungen gegen Journalisten“ gegeben habe, die sich nicht wiederholen würden. Stuchlik ist davon nicht überzeugt: Die Führung in Mos­kau habe Angst, dass sich die Situation so entwickeln könnte wie in der Ukraine, in Georgien oder Kirgisistan, wo die Opposition einen Wandel erzwungen habe. Über Pro-Putin-Veranstaltungen könne er frei berichten. Gehe es um Aktio­nen der Opposition, werde er immer wieder bei der Arbeit behindert, so Stuchlik.
Die UNESCO hat ihren Guillermo-Cano-Preis für Pressefreiheit nachträglich an die ermordete russische Journalistin Anna Politkowskaja verliehen. Damit würdigt die Organisation nach den Worten des thailändischen Juryvorsitzenden Kavi Chongkittavorn „den unvorstellbaren Mut und die Hartnäckigkeit“, mit der Politkowskaja aus Tschetschenien berichtete, „als die Welt vor diesem Konflikt bereits resigniert hatte“. Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 in ihrem Hauseingang in Moskau erschossen worden. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

RSF: Vertrauen Sie der freien Presse!

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählt in diesem Jahr ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, Regional- oder Kommunalpolitiker. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen. Grund genug für die Kampagne „Erste Worte“. Unterschiedliche Menschen hören Auszüge aus den Antrittsreden ihrer Präsidenten: Wladimir Putin aus dem Jahr 2000, Nicolás Maduro aus dem Jahr 2013 und Recep Tayyip Erdogan 2014.
mehr »

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »