Bei der „Frankfurter Rundschau“ kriselt es gewaltig – Belegschaft soll „Sanierungsbeitrag“ im Gegenwert von 10 Millionen Euro einbringen
Kurz vor dem Ziel das Rennen abbrechen und zurück zum Start – so in etwa lässt sich die Situation bei der „Frankfurter Rundschau“ beschreiben. Die Krise trifft das Blatt besonders hart: Hinter ihr steht kein potenter Großverlag, die Eigentümerin der Zeitung ist eine Stiftung, und die Satzung besagt, dass „die Rundschau“ unveräußerlich ist.
Die Auflage ist bei knapp unter 200.000, der Druckerei gehen Fremdaufträge flöten oder die Preise werden gedrückt und im ganzen Haus wird Personal abgebaut. Seit Anfang 2001 schrumpfte die Belegschaft von 1 640 auf derzeit 1 450 und das Ende ist nicht in Sicht.
„Alles muss mobilisiert werden, damit Land in Sicht kommt“, so Viktor Kalla, Betriebsratsvorsitzende der „Frankfurter Rundschau“ (FR) zur Situation an der Großen Eschenheimer Straße in der Frankfurter Innenstadt. Wie alle überregionalen Titel ist auch die FR vom Anzeigenrückgang gebeutelt. Das zwingt zum sparen, was auch beim Betriebsrat – Kalla: „Die Zahlen sind beschissen!“ – unstrittig ist. So wurde am 15. Juli des Jahres ein Sozialplan abgeschlossen. Sein Inhalt: Soziale Kriterien für notwendige Kündigungen wurden aufgestellt, die Personalplanung bis Ende 2003 besagte, die Belegschaft um weitere 53 Beschäftigte zu reduzieren. „Wir sind davon ausgegangen, dass man damit den Umsatzrückgang kompensieren kann“, sagt Kalla. Die Kündigungen wurden am 2. September zum Jahresende ausgesprochen.
Kalla: „Die Zeit wollten wir nutzen, um mit der Belegschaft über Lösungen zu diskutieren.“ Für diese schien ein „Königsweg“ gefunden: Die gesamte Belegschaft einschließlich der Geschäftsleitung verzichtet auf fünf Prozent Gehalt, dafür wird die Arbeitszeit um jährlich 12 Arbeitstage abgesenkt. Das Modell sollte in Kraft treten, wenn in einer Urabstimmung, Mitte September, zwei Drittel aller FR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zustimmen. Mit ver.di wurde vereinbart, dass das ganze in eine „saubere“ tarifliche Vereinbarung mündet. Die Chancen schienen gut: Anders als bei der „Süddeutschen Zeitung“, wo die Chefredaktion eine Arbeitszeitverkürzung für die Redaktion ablehnte, war die FR-Chefredaktion für diese Option offen.
Anfang September mussten die Karten jedoch neu gemischt werden: Auf einer Betriebsversammlung erklärte die Geschäftsleitung, dass die Maßnahme nicht ausreiche. Zum einen spielten die Banken, bei denen die FR in der Kreide ist, nicht mit und zum anderen durchforsteten sechs Mitarbeiter das Beratungsunternehmen KPMG das Redaktions- und Verwaltungsgebäude in Frankfurt und die Druckerei in Neu Isenburg. Kalla: „Die haben alle Steine umgedreht!“ Ende September wurde der Betriebsrat informiert: Bis Ende 2003 muss die Belegschaft auf 1.218 Beschäftigte – also um 175 – reduziert werden. Insgesamt soll die Belegschaft einen „Sanierungsbeitrag“ im Gegenwert von 10 Millionen Euro erbringen. Das soll alle Bereiche betreffen, auch die Struktur der Geschäftsführung soll auf den Prüfstand.
Nun will der Betriebsrat vom Unternehmen wissen, was die Geschäftsleitung zu leisten im Stande ist, um die Krise zu bewältigen. Auch sieht Kalla in der Spardebatte die Chance, gleichzeitig eine Inhaltsdebatte zu führen. Weil: Trotz der notwendigen Sparmaßnahmen muss eine akzeptable Zeitung „die auch gebraucht wird“, gemacht werden. Dazu gehört, dass erstens die Unabhängigkeit erhalten bleibt, zweitens die „Konturen geschärft“ werden und drittens sich alles innerhalb des Tarifvertrages bewegt: „Wir geben kein Beispiel für Tarifdumping“, so der Betriebsratschef.