„Der Navigator“ von Ken Loach lief im Oktober in den Kinos an
Der neueste Film des britischen Regisseurs Ken Loach „The Navigators“ spielt nicht nur im Milieu der britischen Eisenbahner, einige der Schauspieler sind ehemalige Eisenbahner. Doch noch wichtiger: Auch das Drehbuch stammt von einem Eisenbahner.
Der aktive Gewerkschaftler Rob Dawber schrieb Ken Loach in einem Brief, was er in seinem knapp 20jährigen Arbeitsleben bei der britischen Railway erlebt hatte. Loach bat um das Drehbuch. Das entstand jedoch erst, nachdem Dawber längere Zeit arbeitsunfähig war. Später erklärte der Autor, dass ihn, der bis dahin lediglich Artikel für Gewerkschaftszeitungen geschrieben hatte, die Sorge um die Sicherheit der Eisenbahner zum Ausflug ins Filmgenre motivierte: „Die Leute glaubten, dass die Britische Eisenbahn die Zugführer, die Kontrolleure, die Schaffner auf den Bahnsteigen sind. Aber es gibt 30.000 Eisenbahner, die an den Gleisen arbeiten. Und niemand weiß, dass sie da sind.“
Der Ende Oktober in den Kinos angelaufene Film geht mitten hinein in den Alltag der britischen Eisenbahner. Derbe Späße und Flüche machen in der Kantine die Runde. Man hält sich mit einer ganzen Portion Sarkasmus die widrige Realität vom Leibe. Auch die erste Nachricht über die Privatisierung der Britischen Eisenbahn wird zunächst nicht so Ernst genommen. Als der neue Meister die Veränderungen bekannt gibt, wird er immer wieder von Spaßvögeln unterbrochen.
Das Management will die Arbeiter mit allen Mitteln loswerden. Die Arbeitszeit wird erhöht, gewerkschaftliche Mitsprache ist nicht mehr erlaubt. Arbeiter, die sich dagegen auflehnen, bekommen die Kündigung. Die Kollegen äußern ihren Unmut, doch ein gemeinsamer Arbeitskampf kommt nicht zustande, so sehr sich auch einige aktive Gewerkschaftler bemühen. Die meisten Arbeiter nehmen die angebotene Abfindung und versuchen, ihre Arbeitskraft bei einer Leiharbeitsfirma zu verkaufen. Dort spitzt sich die Situation bald dramatisch zu. Es kommt zu einem tödlichen Unfall, nachdem die Leiharbeitsfirma sämtliche Sicherheitsbestimmungen missachtet hatte. Doch der Tathergang wird manipuliert und alle beteiligten Arbeiter beteiligen sich schließlich an der Vertuschung, um ihre Arbeitsplätze nicht wieder zu verlieren. In diesem Augenblick sind die Kollegen endgültig besiegt und gedemütigt. Mit hängenden Köpfen verlassen sie die Unglücksstätte.
Anders als in früheren Ken Loach-Filmen gibt es keinen großen Helden. Einen verdammt aktuellen Film hat Loach da gemacht. Schließlich ist die Privatisierung der Eisenbahn nicht nur in Großbritannien gerade wieder ein aktuelles innenpolitisches Thema. Rob Dawber, der proletarische Drehbuchautor, hat den fertigen Film nicht mehr gesehen. Er starb im Alter von 45 Jahren an Krebs. In zahlreichen Nachrufen in der britischen Gewerkschaftspresse wurde ein Zusammenhang mit dem Asbest gezogen, mit dem er an seiner Arbeitsstelle in Kontakt kam. Der Film ist gleichzeitig ein Vermächtnis für diesen aktiven Gewerkschaftler und Aktivisten der Arbeiterbewegung. Hoffentlich findet er in diesen postmodernen Zeiten, wo von Arbeitsverhältnissen niemand reden will, sein Publikum.