Zierrat fürs Jubiläum?

Frauen und Televisionen als Thema der 30. Mainzer Tage der Fernsehkritik

„Zieren“, so führte der Intendant aus, sollte das Thema „WeibsBilder und TeleVisionen“ das 30. Jubiläum der Mainzer Tage der Fernsehkritik. Die Frage also, wie sich „Frauen und Fernsehen“ – so der Untertitel der Veranstaltung – jetzt und in Perspektive zueinander verhalten, welchen Platz die Frau „funktional, beruflich, hierarchisch“ – so Stolte weiter -, in einem Programmunternehmen wie dem ZDF einnimmt, und welches Bild dieses Programm und andere – öffentlich-rechtliche und private – von ihr haben und veröffentlichen, als Jubiläumszierrat, der im rundfunkpolitischen, beruflichen und programmlichen Alltag auch wieder abgelegt werden kann?

„Frauen steigen ein, aber nicht auf“.

Die Zahlen, die den „Platz der Frau im Programmunternehmen“ kennzeichnen, sind bekannt: oben in der Hierarchie ist sie „Spurenelement“, unten Mehrheit. Woran das liegt und wie das geändert werden könnte? Der Argumentation von ZDF-Chefredakteur Bresser, die Frauen seien zwar heute schon „stabiler“ und „weniger nervös“ als früher, aber immer noch nicht bereit, wie er selbst, hundert Stunden pro Woche für die Karriere zu investieren, auf Privatleben und Kinder weitgehend zu verzichten, mochte so keine zustimmen, zumal, wie die Frauenbeauftragte des SWF, Angelika Lipp-Krüll, anmerkte, diese Strukturen sich „die Männer selbst gegeben haben“. Bressers Rezept für Frauen-Aufstieg: Von den zahlreichen qualifizierten Volontärinnen sollen möglichst viele übernommen werden. „Es braucht aber Zeit, bis sich das nach oben auswirkt“. Frauengleichstellung also erst ab der nächsten Generation? Angesichts der so zahlreich anwesenden, nicht mehr ganz jungen, kompetenten Fernsehladies, von denen frau (und im Stillen wohl auch „mann“) sich so manche gut als Intendantin, Fernsehdirektorin oder auch Ge-schäftsführerin vorstellen konnte, keine befriedigende Antwort! Die Bemerkung, „Männer, die von Umdenken sprechen, meinen immer nur die anderen, aber bitte nicht sich selbst“, fand Zustimmung. Auch die Kinderfrage wollten die Frauen nicht mehr als Haupthindernis für ihren Aufstieg akzeptieren. „Bei einer Reproduktionsrate von 1,4 Kindern mit fallender Tendenz“ könne sie, so HR-Chefredakteurin Luc Jochimsen, „doch nicht dauerhaft der große Hemmschuh sein“.

Ein wesentlich gravierenderes Hindernis auf dem Weg nach oben sei die Einstellung von Frauen zur Macht. Häufig „geblendet von Pseudo-Erfolgen“ scheuten sie „den notwendigen Machtkampf“. Frauen fragten sich ganz im Gegensatz zu Männern immer wieder „Schaffe ich das auch?“. Die grüne Politikerin Christa Sager, ZDF-Fernsehrätin, brachte die „geschlechtsspezifischen“ Verhaltensmuster auf den Punkt: „Männer greifen erstmal zu und machen es dann so, wie sie’s können, Frauen überlegen erst lange, ob sie zugreifen sollen“. Meistens haben Männer auch eine viel zielstrebigere Karriereplanung als Frauen. „Sie melden“, so Sabine Christiansen, „schon frühzeitig ihre Ambitionen an“.

In einem eindrucksvollen Streifzug durch die Geschichte zum Thema „Frauen und Macht“ – von Kleopatra bis Hillary Clinton – hatte zuvor die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, die Fernsehfrauen ermuntert, sich der Machtfrage offensiv zu stellen und endlich aufzuhören, sich zu „Propagandistinnen“ des Klischees von den angeblich „typisch weiblichen“ Eigenschaften: „so menschlich, voller Verständnis und in der Regel frei von Machtgelüsten“ zu machen. Macht sei „weder an sich böse noch kritikwürdig“. Was einzig zähle, sei „auf der Handlungsebene überzeugend zu wirken“.

Deutlich wurde in Mainz aber auch, daß viele Frauen das Klima in den männlichen Führungsdomänen als abschreckend empfinden, zumal wenn sie bereits als Macherinnen erfolgreich sind. „Frauen“, so Petra Gerster, „fühlen sich sicherer auf der Macher-Seite, wo die Leistung zählt und nicht das Herumsitzen auf Abteilungsleitersitzungen!“.

Was tun gegen Männer-Seilschaften“?

Was tun, damit es nicht so bleibt, daß „die Herren entscheiden, ob sie uns was werden lassen“ (Doubek), daß nur die Frauen genommen werden, „die den Männern ins Konzept passen“ (Jochimsen), daß es „zu wenig einflußreiche Frauen gibt, die andere Frauen unterstützen können“ (Gerster)? Wie angehen gegen männliche „Seilschaften“ und „Parteibuch-Karrieren“?

Zu den Rahmenbedingungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in qualifizierteren Positionen gehören, wie vor allem Limbach betonte, eine „andere Organisation der Arbeit auf den verschiedenen beruflichen Ebenen“, insbesondere die Schaffung von Teilzeitplätzen auch in Spitzenfunktionen, die „zwingende Teilung der Berufs- und Familienarbeit“ zwischen beiden Partnern und die Einrichtung von Betriebskindergärten und -horten. „Kinderlose, beruflich erfolgreiche ältere Frauen sind“, wie Christa Sager anmerkte, „für junge Frauen keine Perspektive“.

Die SWF-Frauenbeauftragte Lipp-Krüll vermißte eine „Personalentwicklungskultur“ in den Anstalten. Unternehmensberaterin Dagmar Brodersen betonte, daß die landläufige Meinung: „Gute Frauen setzen sich durch!“ keineswegs zutreffe, sondern nur dort, wo

es Frauenförderpläne gebe, Frauen überhaupt weiter gekommen seien. Christel Zechner, selbst von der Kabelträgerin zur ORF-Programmintendantin aufgestiegen, ohne dabei, wie sie sagte, eine „Männerdomäne niederreißen“ zu müssen, wandte sich dagegen „gegen jede Form von Quote“. Die „Hauptarbeit“ müsse darauf gelenkt werden, „die Frauen zu motivieren, daß sie sich trauen“.

Dagmar Skopalik, Gleichstellungsbeauftragte beim ZDF, hatte in einem leider nur schriftlich vorliegenden Beitrag darauf hingewiesen, daß gerade angesichts der Einführung digitaler Techniken mit ihren radikalen Auswirkungen auf Arbeitsabläufe und Berufsfelder Gleichstellungsvereinbarungen unverzichtbar seien. Es dürfe nicht dahin kommen, daß „bei der Besetzung der ,Zukunftsarbeitsplätze’ wieder nur die Männer die Nase vorn haben“.1)

„Frauen-Boom“ im Programm

Und wie wird mit Frauen in den Fernsehprogrammen umgegangen? Ist das Fernsehfrauenbild seit Küchenhoff „optisch, darstellerisch, präsentationsmäßig“ (Stolte) realitätsgerechter geworden?

„taz“-Chefredakteurin Klaudia Brunst sichtete bei ihrer einwöchigen Beobachtung öffentlich-rechtlicher und kommerzieller TV-Programme, die ihr die Vorbereitungsgruppe der Mainzer Tage aufgegeben hatte, mehr selbstbewußte Frauen als sie erwartet hatte, während die Männer eher „kläglich auf der Strecke“ blieben. „Nirgendwo“, so stellte sie fest, „ist die definierte Hausmacht der Frauen so groß wie im Talk-Fernsehen. Und nirgendwo nutzen sie ihr Sendungsbewußtsein derart rigoros, um weibliche Ohnmacht zu demonstrieren“.

Dietrich Leder, der dasselbe Programmpensum zu bewältigen hatte, machte das ZDF als „Hort der Schwangerschaft“ aus und stellte insgesamt eine „unglaubliche Thematisierung von Frauenthemen“ fest, teilweise sogar – wie bei „X-Base“ – eine „radikale Umkehrung der Rollenklischees“. Allerdings fehle im Programm noch „der dekorative Mann“, entsprechend der stummen Maren Gilzer am SAT 1-„Glücksrad“. Skepsis befiel ihn jedoch, ob der „Frauen-Boom“ von Dauer sei. Im Kommerzfernsehen entspringe er „ökonomischer Spekulation“. Was passiert, wenn sich Frauen und Frauenrollen im Programm „nicht mehr rechnen“?

Noch tummeln sich im TV-Krimi vermehrt Kommissarinnen, starke Frauen, von Männern erdacht und inszeniert zumeist, die nur im „Doppelten Einsatz“ eine ganze Frau machen. Lena Lindhoff und Catherine Bralant fanden in ihrer Untersuchung über „aktuelle Weiblichkeitsdarstellungen“ im Fernsehkrimi „keine allzu große Vielfalt“. Die Kommissarinnen, entweder „betont feminin-erotisch oder betont maskulin“, blieben letztlich „überwiegend auf traditionelle Weiblichkeitsmuster beschränkt“. Einzig „Bella Block“ (erfunden von Doris Gercke, deren Name aber weder auf der Veranstaltung in Mainz erwähnt wurde noch im Abspann der Filme auftaucht) zeige eine facettenreichere Persönlichkeit und gehöre zu den „zukunftsweisenden Frauendarstellungen“.

Rituale des Fernseh-Alltags

Für den Informationsbereich konnte die niederländische Programmacherin und Dozentin Dorette Kuipers, die fünf Jahre lang Rollenklischees im Fernsehen untersucht hat, nachweisen, daß Frauen und Männer nicht gleichberechtigt dargestellt werden: Er wird eher bei der Arbeit gezeigt, sie im privaten Bereich; er redet, kommentiert, sie hört zu, bestätigt; er wird als „Experte“ vorgestellt, sie als „Liebhaberin“ eines Hobbys; er steht oder geht auf und ab, sie sitzt; sie schaut zu ihm auf, er zu ihr herab; er wird eher aus der Vogelperspektive aufgenommen, sie aus der Froschperspektive. Kuipers kritisierte, daß die so gezeigten Personen sich zumeist bereitwillig den vorgegebenen Rollen unterordnen, „sich gegen die angedienten Klischees nicht wehren“.

Daß Männer und Frauen sich bereits durch ihre Körpersprache – zumeist unbewußt – bestimmten Regeln und Vorschriften unterwerfen, die sie als männlich oder weiblich kategorisieren, hat die Münchner Psychologin Gitta Mühlen Achs erforscht. „Geschlecht ist nicht etwas, was wir sind oder haben, sondern was wir tun“. Mittels bestimmter Codes wird männliche Macht und weibliche Unterordnung signalisiert: Männer geben sich entspannt, nehmen viel Raum ein, blicken lang und bedeutungsvoll, sprechen tief und laut. Frauen dagegen nehmen wenig Raum ein, machen sich so schmal und zierlich wie möglich, gestikulieren nicht ausholend, zeigen Gefühl, Anteilnahme und lächeln viel und dauerhaft. „Die Medien hyperrealisieren diese Rituale des Alltags“ und tragen so zur Aufrechterhaltung patriarchaler Strukturen bei. Das Frauenbild im Fernsehen sei immer noch, – das „Bild des Mannes von der Frau“. Wenn sich daran etwas ändern soll, müssen Frauen selbst, wie auch Limbach gefordert hatte, „Definitionsmacht“ in den Medien erringen und „die ungleichen Machtverhältnisse auf der Entscheiderebene aushebeln“.

Maren Kroymann gehört zu den (wenigen) Schauspielerinnen, die bewußt versuchen, dem männlichen Blick nicht zu entsprechen. Deshalb genieße sie es, auch Kabarett zu machen, wo sie „freier“ sei. Natürlich würde sie „die Tussi schon spielen, aber nur dann, wenn ich diese auch als solche vorführen kann, nicht aber als Identifikationsfigur“.

Ariane Vuckovic hat die Erfahrung gemacht, daß sie, als eine der ganz wenigen Kriegsberichterstatterinnen, den männlichen Kollegen „oft unheimlich“ ist. Sie könne, dadurch, daß sie bewußt Frauen mit ihren eigenen Erlebnissen zu Wort kommen lasse, „politisches Geschehen anders transportieren“ als ihre an den „Männern auf der Straße“ orientierten Kollegen.

„Frauen wollen Frauen sehen!“

Jutta Röser, Kommunikationswissenschaftlerin aus Hamburg, hat sich intensiv damit befaßt, „was Männer und Frauen vor dem Bildschirm erleben“. Ihre Erkennnis: „Frauen wollen Frauen sehen – und zwar in vielfältigen, interessanten, zur Auseinandersetzung geeigneten Rollen“. Diese Möglichkeit wird zum einen dadurch eingeschränkt, daß sie häufig mit dem Partner Sendungen mitsehen, „die sie sich alleine eher nicht angesehen hätten“2), zum anderen, weil solche Angebote im Programm selten zu finden sind. Insbesondere im Nachrichtenbereich mit „annähernd frauenfreier“ Berichterstattung müßten Formate entwickelt werden, „die Informationsqualität mit einer alltagsnäheren Perspektive verbinden – wie das geht, zeigt Mona Lisa“. „Wir sollen im Fernsehen existieren“, forderte Alice Schwarzer. „Die Ideologie, die den erniedrigenden Blick produziert, gibt es immer noch“. Die Erkenntnis, daß „Frauen ebenso vielfältige Menschen wie Männer sind“, muß sich im Fernsehen erst noch durchsetzen.

Die Zukunft bleibt widersprüchlich

Werden die sich entwickelnden neuen Medien – Internet und digitales Fernsehen – ein vielfältigeres Frauenbild bringen? – Zwar ist „das neue Netz-Medium“, wie Irene Neverla, Universität Hamburg, ausführte, „androzentrisch, mehr als die Gesamtheit der alten Medien“. Zugang, Nutzung und Gestaltung sind eher jüngeren Männern vorbehalten. Dennoch würden dort aufgrund seiner medialen Eigenschaften die herkömmlichen Geschlechterrollen unterminiert. „Androgynität, Transexualität, das dritte Geschlecht und der virtuelle Körper sind Phänomene dieser Dekonstruktion“. Dies werde auch Rückwirkungen auf das „alte“ Fernsehen haben. „Die Zukunft“, so Neverla, „bleibt also widersprüchlich“.

In fünf Jahren, so schlug Will Teichert vor, der die Abschlußrunde moderierte, sollten die Mainzer Tage das Thema „Frauen und Macht“ erneut aufgreifen, mit Petra Gerster als Intendantin. Ganz ernst mochte das keine nehmen und war es wohl auch nicht gemeint. Aber immerhin, in Mainz könnte ein Anfang gemacht worden sein.


1) D. Skopalik: Gretchenfragen – Über die Chancen der Chancengleichzeit. In: epd medien Nr. 35 v. 10. 5. 1997 (Dokumentation zu den 30. Mainzer Tagen der Fernsehkritik)
2) Bei einer IFAK-Umfrage für FOCUS gaben 63% der Männer an, daß sie „immer“ oder „überwiegend“ die Fernbedienung „beherrschen“. FOCUS v. 2. 6. 1997.

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