Anwaltskammer gibt auf Journalistenseminar Tips für den Umgang mit Redaktionsdurchsuchungen
„Was tun, wenn die Redaktion durchsucht wird?“ Gute Frage. Die Rechtsanwaltskammer Celle, die für große Teile Niedersachsens zuständig ist, hat jetzt auf einem Journalistenseminar in Hannover Antworten geliefert. Kostenlos, aber nicht selbstlos, denn die gesetzliche Standesvertretung erhoffte sich von ihrer Veranstaltung auch Werbung für „den Rechtsanwalt als einzig sachkundigen und unabhängigen Berater in allen Rechtsfragen“.
Das Interesse der Journalisten hielt sich allerdings in Grenzen. Nur ein knappes Dutzend Kolleginnen und Kollegen hörte sich die Tips von Strafverteidiger Manfred Parigger an.
Rat Nummer 1: Wenn morgens eine „Riege von Turnschuhträgern mit dem Colt im Hosenbund“ in Redaktion oder Wohnung auftaucht, ist „Ruhe die erste Journalistenpflicht“.
Zunächst sollte man den Durchsuchungsbeschluß studieren und einen Rechtsbeistand herbeitelefonieren – und wenn es nur ein Spezialist für Familienrecht ist. „Allein seine Anwesenheit führt zu einem anderen Ablauf der Durchsuchung“, glaubt Parigger. Eine Liste mit Anwaltsnummern aus der näheren Umgebung sollte in keiner Redaktion fehlen.
Laut Parigger müssen die Beamten das Herbeiholen eines Beistands dulden. Sie können aber das Telefonat überwachen, um „Verdunkelungshandlungen“ auszuschließen. Danach können sie loslegen: Auf die Anwältin warten müssen sie nicht.
„Achten Sie darauf, daß Beamte nie allein in irgendwelchen Zimmer herumschnüffeln“, rät der Strafverteidiger ferner. Und: „Widersprechen Sie ausdrücklich der Beschlagnahmung von Unterlagen, die nicht im Durchsuchungsbeschluß stehen.“
Grundsätzlich dürfen nur „selbstrecherchierte“ Materialien sichergestellt werden, nicht aber Unterlagen von Informanten, es sei denn, sie sind „strafverstrickt“ (siehe Kasten „Schutzrecht mit Lücken“). Wenn die Abgrenzung strittig ist, empfiehlt es sich, den Beamten einen Deal vorzuschlagen: Sie sollen das Material versiegeln, und dann kann ein Richter in Ruhe prüfen, ob die Papiere unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen oder nicht.
Wer verhindern will, daß die gesamte Redaktion oder Wohnung auf den Kopf gestellt wird, kann das gesuchte Dokument selber herausgeben oder jedenfalls den Fundort zeigen – aber nur unter schriftlich vermerktem Protest. Denn wer Material widerstandslos überreicht, verliert laut Anwalt Parigger sein Beschwerderecht und seinen Anspruch, unter Berufung auf das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht die Aussage abzulehnen.
Apropos Vernehmung: „Führen Sie keine informativen Gespräche mit den durchsuchenden Beamten“, rät Parigger. Denn die Turnschuhträger sind nach der ersten Aufregung oft „von geradezu betörender Freundlichkeit, weil sie möglichst viel hören möchten“. Gegenüber Polizisten muß man ohnehin nicht aussagen, sondern nur bei der Staatsanwaltschaft – soweit nicht ohnehin das Zeugnisverweigerungsrecht greift.
Auf jeden Fall, so Parigger, sollte man zu Beginn der Vernehmung fragen, ob man als Beschuldigter oder als Zeuge befragt wird, und das sollte auch im Protokoll vermerkt werden. Außerdem muß man über seine Rechte belehrt werden: Beschuldigte brauchen gar nicht auszusagen, und Zeugen müssen sich nicht selbst belasten.
Wer zu unrecht die Aussage verweigert, dem drohen Ordnungsgelder bis zu jeweils 1000 Mark (auch mehrfach hintereinander) oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. Außerdem „werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt“ ((section) 70 Strafprozeßordnung).
Für den Fall, daß die Beamten Computerdateien überspielen wollen, rät Parigger: „Stellen Sie eigene Leerdisketten zur Verfügung, um die Übertragung von Viren zu vermeiden.“ Ist das wirklich nötig? „Ja, das haben wir alles schon gehabt“, sagt der Strafrechtler.
Und was ist mit Verschlüsselungsprogrammen für Computertexte? Die müssen nur dann herausgerückt werden, wenn für die betreffenden Dateien kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.
Während der Durchsuchung dürfen nach Ansicht Pariggers Fotos zu Dokumentationszwecken gemacht werden. Eine Veröffentlichung sei ebenfalls erlaubt; allenfalls müsse man die Gesichter der Beamten unkenntlich machen.
Beschlagnahmte Unterlagen sollten nach Möglichkeit kopiert werden. Auf jeden Fall ist eine möglichst genaue Auflistung im Durchsuchungsprotokoll zu verlangen, das man sich am Ende aushändigen läßt.
Wenn die Beamten etwas rechtswidrig mitnehmen, „können Sie nicht den Knüppel aus der Tasche ziehen“, warnt Parigger, sondern dann bleibt nur die anschließende Beschwerde bei Gericht. Daneben könnten Journalisten aber auch „ihre schärfste Waffe einsetzen: berichten“.