Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

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Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.

Im Herbst 2024 hat die Rundfunkkommission der Länder eine Reform des Verfahrens zur Rundfunkfinanzierung vorgeschlagen. Wenn ein jahrzehntelang funktionierendes Verfahren verändert wird, muss es dafür gute Gründe geben. In der gegenwärtigen politischen Lage verläuft Rundfunkpolitik immer holpriger: 2021 musste das Bundesverfassungsgericht den Rundfunkbeitrag festlegen, weil die nötige Ländermehrheit nicht zustande kam und auch zum vergangenen Jahreswechsel trat die vorgesehene Beitragserhöhung mangels eines Länderkonsens nicht in Kraft.

Insofern muss das Hauptanliegen einer Reform sein, das System der Rundfunkfinanzierung gegen unzulässige Eingriffe besser abzusichern. Dies ist in dem neuen Verfahrensvorschlag angelegt, indem statt bisheriger Einstimmigkeit das Ausscheren von bis zu drei Ländern toleriert und die unabhängig ermittelte Beitragsempfehlung grundsätzlich per Verordnung (statt bisher per Staatsvertrag) umgesetzt wird. Hierfür gilt allerdings die Voraussetzung, dass eine Beitragserhöhung maximal fünf Prozent beträgt.

Geringere Hürden

Inhaltlich sichert das Widerspruchsmodell die Rundfunkfinanzierung nicht ausreichend gegen unzulässige Eingriffe ab. Denn je größer der Druck auf den ÖRR, je größer sein Finanzbedarf, desto weniger Länder reichen aus, um das neue Verfahren zu kippen. Und das mit geringeren Hürden als bisher. War im bisherigen Staatsvertrag noch eine Anhörungspflicht vorgesehen, sofern die Rundfunkkommission von der KEF-Empfehlung abweichen will, so entfällt eine solche Konsultation der Rundfunkanstalten und der KEF im neuen Staatsvertrag.

Zudem hat die Medienpolitik die Chance, dass die Beitragsempfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (KEF) unter fünf Prozent Erhöhung liegt, durch die Nicht-Umsetzung deren Beitragsempfehlung zu 2025 sowie durch die Verkürzung der laufenden Beitragsperiode auf zwei Jahre sehenden Auges zunichte gemacht. Im vorliegenden Finanzierungs-Staatsvertrag wird ein neues Verfahren vorgeschlagen, von dem voraussichtlich schon bei nächster Gelegenheit abgewichen werden muss.

Denn zum einen hat die KEF berechnet, dass der Reformstaatsvertrag frühestens im Jahr 2029 beitragsmindernd wirken kann. Dieser Staatsvertrag ist aber noch nicht von den Landtagen verabschiedet und soll erst am 1.12.2025 in Kraft treten. Daher können die Rundfunkanstalten bei ihren jetzt fälligen, für die Beitragsberechnung für 2027 erforderlichen Bedarfsanmeldungen die Vorschriften des Reformstaatsvertrags seriöserweise noch nicht berücksichtigen. Die von den Ländern mutmaßlich beabsichtigte „disziplinierende Wirkung“ bei der Bedarfsanmeldung – dass die Rundfunkanstalten also in vorauseilendem Gehorsam noch mehr kürzen als durch die Umstrukturierungen ohnehin – kann allein schon mangels Rechtsgrundlage nicht eintreten.

Querfinanzierung durch Sonderrücklage

Zweitens ist der Rundfunkbeitrag zwar zu Januar 2025 nicht erhöht worden, die Rundfunkanstalten haben aber potenziell trotzdem mehr Geld als 2024 zur Verfügung. Schließlich wurde ihnen – wenn auch ohne klare Vorgaben – Zugang zu einer Sonderrücklage aus Mehreinnahmen eröffnet, die sie zuvor nicht antasten durften. Diese Rücklage wird nach der zweijährigen Beitragsperiode jedoch aufgezehrt sein.

Für die Beitragsempfehlung der KEF, die für 2025 bis 2028 ein Plus von 58 Cent betrug, war die Rücklage bereits eingepreist. Ohne diese beitragsmindernde Querfinanzierung wird ein neuer Rundfunkbeitrag höher ausfallen. Ab der 2027 beginnenden Beitragsperiode ist von einem Mehrbedarf von mind. 1,16 Euro auszugehen, was 6,3 Prozent Steigerung im Vergleich zum jetzigen Beitragsniveau bedeutet. Hinzu kommt weiterer Bedarf zum Ausgleich der absehbaren allgemeinen Preissteigerungen in den kommenden Jahren. Bei dieser Erhöhung greift automatisch die bisherige dritte Stufe des Beitragsfestsetzungsverfahrens mit Beteiligung der Ministerpräsident*innen und Landtage – der neu vorgeschlagene Mechanismus kommt gar nicht erst zum Tragen.

Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt machen Druck

Unterdessen versuchen Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, ARD und ZDF zur Rücknahme ihrer Verfassungsklage zu drängen, indem die Länder angekündigt haben, den Finanzierungs-Staatsvertrag ansonsten nicht zu unterzeichnen. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, findet es richtig, dass ARD und ZDF sich zum Rundfunkbeitrag nun an das Verfassungsgericht wenden. „Für die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen gibt es klare Vorschriften – und die werden von den Länderchefs derzeit missachtet. Wenn die Politik ihre Verantwortung nicht wahrnimmt, muss das höchste Gericht entscheiden, dafür leben wir in einem Rechtsstaat. Dass es dazu kommen muss, ist allerdings ein Armutszeugnis. Die Untätigkeit der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten bleibt nicht ohne Folgen: Die Planbarkeit für die Rundfunkanstalten leidet, die Kürzungen von Personal und Programm drohen umso drastischer auszufallen als ohnehin in der derzeitigen Reform vorgesehen.“

Gemäß Vertragstext sind die Reformvorschläge hinfällig, sollten nicht die Unterschriften aller Länder bis Ende November vorliegen. Ob dieser Zeitplan mit dem Verfahren vorm Bundesverfassungsgericht in Einklang zu bringen ist, wissen nur die Richter*innen in Karlsruhe. Mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts in der ersten Jahreshälfte ist nicht zu rechnen.

 

 

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