Tarifverhandlungen für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen in der ersten Runde ohne Ergebnis
Der Verlauf der ersten Runde der Verhandlungen mit dem Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) am 4. September 1997 in Frankfurt am Main hat weitgehend die Befürchtungen der Gewerkschaften bestätigt. Neben einer Verlängerung der Arbeitszeiten ist es ein klares und offen definiertes Ziel der Verlegerseite, durch Gehaltskürzungen und/oder den Abbau anderer tarifvertraglich vereinbarter Leistungen Kostensenkungen für die Verlage zu Lasten der Redakteurinnen und Redakteure zu erreichen.
Die eigentlich fällige Erhöhung der Gehälter machte der BDZV von der Zustimmung der Gewerkschaften zu einer radikalen Streichung bei den Berufsjahren abhängig. Dies war mit IG Medien und DJV nicht zu machen.
Die Begründung für die verlangten Kostensenkungen hat wenig mit der Bewältigung tatsächlicher oder angeblicher ökonomischer Probleme in den Verlagen zu tun. Alle Beteiligten wissen, daß die übergroße Mehrzahl der Verlage zum Teil glänzend schwarze Zahlen schreibt. Der BDZV sieht für sich offenkundig einen Nachholbedarf beim Absenken des Tarifniveaus im Vergleich mit anderen Branchen. Hier fühlen sich die Zeitungsverleger offenbar noch ungenügend bedient.
Wo die Absenkung wirksam wird, ist für die Verleger zweitrangig. Zur „Auswahl“ gestellt wird den Gewerkschaften die Zusammenstreichung der Berufsjahresstaffel, der Altersversorgung oder noch nicht näher definierter Bestandteile des Manteltarifvertrags. Ein BDZV-Vertreter: Die „Kostenbegrenzung“ sei ein „Grundansatz“ des Verlegerverbandes. Welche Auswirkungen die vom BDZV geforderte Kappung der Berufsjahresstaffel nach dem 11. Berufsjahr künftig haben würde, verdeutlichen Berechnungen der IG Medien. Ein Kollege mit durchschnittlicher Erwerbsbiographie (Redakteur mit 30, Renteneintritt mit 65) müßte einen Verlust von rd. 5,5% seines Lebenseinkommens in Kauf nehmen. Nach heutigen Zahlen bedeutet dies einen Betrag von fast 198000 DM zuzüglich entsprechender Verluste bei der Altersversorgung.
Beim zweiten zentralen Konfliktfeld, der Arbeitszeitregelung, spekuliert der BDZV mit der Passivität der Journalistinnen und Journalisten: Wenn sich in den Redaktionen kein Widerstand regt, ist der Weg frei für die Abschaffung geregelter Arbeitszeiten. Stattdessen sollen unverbindliche „Richtzeiten“ von 38, 40 oder mehr Stunden eingeführt werden. Dann gäbe es nicht einmal mehr den Anspruch auf geregelte Arbeitszeiten und planbare Freizeit. Die Verleger erhielten einen Freibrief für weiteren Personalabbau, weil die verbliebenen Redakteurinnen und Redakteure die Arbeit ohne Rücksicht darauf leisen müssen, ob dies innerhalb der „Richtzeiten“ möglich ist. Notfalls soll dann eben über die „Richtzeit“ hinaus gearbeitet werden – 50, 60 Stunden pro Woche, ohne Anspruch auf Freizeitausgleich oder Zuschläge.
Die Strategie des BDZV in der Arbeitszeitfrage zielt aber noch weiter: Es ist offensichtlich, daß die Redakteurinnen und Redakteure als „Eisbrecher“ mißbraucht werden sollen, um das Feld für Arbeitszeitverlängerungen auch in anderen Tarifbereichen zu bereiten. Ist das Eis erst einmal gebrochen, läßt sich bei den Verlagsangestellten und in der Druckindustrie ungenierter die Revision der 35-Stunden-Woche einleiten.
Die IG Medien hat in den Verhandlungen ihre Bereitschaft erklärt, über redaktionsspezifische Arbeitszeitregelungen zu verhandeln – aber nur auf der Grundlage verbindlicher Arbeitszeiten und abgeschlossener Verträge. „Richtzeiten“ sind der falsche Weg. Darüber hinaus wird die IG Medien in den Verhandlungen weiter an ihren Forderungen nach einer Altersteilzeitregelung sowie nach verbesserten Teilzeitmöglichkeiten festhalten.
Neben dem Abbau der bisherigen Berufsjahresstaffel und der Abschaffung der 35-Stunden-Woche verlangt der BDZV Einsparungen bei der Altersversorgung sowie „weitere Änderungen“ im Manteltarifvertrag. Die Forderungen wurden bisher allerdings noch nicht konkretisiert. Die IG Medien hat deshalb verlangt, daß der BDZV seine Vorstellungen spätestens bis zur nächsten Runde am 2. Oktober umfassend offenlegt. Für die IG Medien kommt nur eine Paketlösung in Frage, bei der alle offenen Probleme gelöst werden.