Eine honorarfreie Woche des Fotografen Günter Zint
An allen Ecken und Enden fehlt Geld. Firmen und Institutionen haben das Sparen zur höchsten Tugend erklärt. Ich betreibe seit 40 Jahren eine Fotoagentur, die zur Zeit kaputtgespart wird.
Ein paar Beispiele aus einer Woche: Ein Mitarbeiter von GEO ruft an: Herr Zint, wir machen eine größere Geschichte über St.Pauli. Können Sie uns dabei mit Ihren Kenntnissen und Erfahrungen helfen. Na klar kann ich das, nach 40 Jahren Kiez-Erfahrung. Ich bin aber nicht die Pressestelle von St.Pauli. Ich bin Journalist und brauche deshalb wenigstens ein Informationshonorar. Rückruf am nächsten Tag: „Informationshonorar zahlen wir grundsätzlich nicht. Aber es ist doch auch von Vorteil für sie, wenn ihr Name genannt wird“. Aus dem Alter bin ich raus, in dem ich scharf darauf bin, meinen Namen gedruckt zu sehen. Also: Auftrag futsch. Der Verleger des Hamburger Stadtmagazins OXMOX hat es auf den Punkt gebracht, indem er bei einer Honorarklage sagte: „Bei mir im Impressum zu stehen, ist Bezahlung genug.“ (Kleiner Trost: Er verlor den Prozess.)
Das nächste Geschäft bahnt sich an. Ein Fernsehteam eines Hamburger Senders kündigt sich an. Drei Personen drehen in meiner Agentur zum Thema Jugendkultur der 60er Jahre. Viele Fotos werden reproduziert. Als ich der (vermeintlichen) Redakteurin einen Lieferschein mit den Geschäftsbedingungen in die Hand drücke, fragt sie: „Was ist denn das?“ Ich erkläre ihr, dass dies zur Abrechnung der Sendehonorare dient. „Ach, das kostet was? Dann können wir das nicht senden.“ Die „Kollegin“ war eine Praktikantin, die bisher nur PR Agenturen und Pressestellen kennengelernt hatte. Wen wundert‘s, es ist ja inzwischen üblich ganze Redaktionen mit Praktikanten zu besetzen.
Aber die Woche ist ja noch nicht zu Ende. Nächster Anruf: ZDF, Frau G.: Wir machen eine Sendung zu 20 Jahre „Ganz unten“ von Günter Wallraff. Wir haben verschiedene Fotos aus Ihrer Urheberschaft im Archiv. Der Produktionsleiter lässt nachfragen, ob wir da nicht einen Sonderpreis haben? Ich mache klar, daß auf meinen Lieferscheinen deutlich steht: Honorar nach MFM-Richtlinien. Schließlich werden nur zwei Fotos ausgesucht. Erneuter Anruf: „Da gibt es doch sicherlich einen Mengenrabatt?“ Ich bin sprachlos und werde ärgerlich: „Wir haben mit der dju (ver.di), der VG Bild-Kunst und dem BVPA (MFM-Richtlinien) in langen Verhandlungen und Prozessen Tarife und Honorare festgelegt, die nun unterlaufen werden sollen. Entweder sie bezahlen nach Tarif, oder sie nehmen meine Fotos aus der Sendung.“ Frau G. entschuldigt sich. Das sei wohl eher ein Problem dieser Redaktion als des ZDF. Hoffentlich hat sie Recht.
Der nächste Anruf macht mir Hoffnung: Die Fotoredaktion von Schrot & Korn ruft an. Wir haben 20jähriges Jubiläum und brauchen Fotos vom Autofreien Sonntag 1973, von Anti-AKW-Demos in Brokdorf, von Demos gegen die Notstandsgesetze 1968 und von der Startbahn West. Frau T. hätte schon erfolglos bei CORBIS (Bill Gates) Getty Images und Google nachgeschaut. Bei mir bekommt sie, was sie sucht. Endlich kann ich ein paar Fotos verkaufen. Allerdings befürchte ich, dass Frau T. das nächste Mal vergebens anrufen wird. PAN-FOTO ist dann Pleite.