Ausgegliederte Radio-Bremen-Beschäftigte behalten ihre Rechte
Die Verhandlungen dauerten Monate, aber der Aufwand hat sich gelohnt: Radio Bremen (RB) hat sich mit den Gewerkschaften auf drei Tarifverträge geeinigt, mit denen die geplante Teilprivatisierung des Senders zumindest sozial abgefedert wird.
„Wir konnten das Outsourcing nicht verhindern“, sagt Personalratschef Bernd Graul (ver.di). „Deshalb haben wir versucht, bestmögliche Bedingungen für die Betroffenen auszuhandeln – und das mit gutem Erfolg.“ Seine Stellvertreterin Monika Grüning, zugleich Vorsitzende des ver.di-Betriebsverbandes bei RB, ergänzt: „Wir haben durch die Tarifverträge erreicht, dass die Kolleginnen und Kollegen, die ausgegliedert werden sollen, so gestellt sind, als wenn sie bei Radio Bremen geblieben wären.“
Die Pläne des Intendanten Heinz Glässgen, die inzwischen von Rundfunk- und Verwaltungsrat gebilligt wurden, sind bekanntlich ARD-weit einmalig: Die komplette Hörfunk- und Fernseh-Produktionstechnik soll ausgelagert werden – in eine gemeinsame Tochtergesellschaft mit der Münchener „Bavaria“. Etwa jeder Dritte der derzeit 440 Festangestellten soll in die neue Firma wechseln. Der kleine Bereich „Ausstattung“, zuständig beispielsweise für „Tatort“-Kulissen oder Talkshow-Bühnen, wird von einer völlig privaten Gesellschaft übernommen, der „Bremer Bühnenhaus GmbH“.
Intendant Glässgen reagiert mit seinen Outsourcing-Plänen auf den Beschluss der Bundesländer, den ARD-internen Finanzausgleich bis Ende 2005 stufenweise zu reduzieren – was den Bremer Sender ein Drittel seiner früheren Einnahmen kostet. Die Ausgliederung der Techniker und Ausstatter soll mittelfristig Geld einsparen, denn sobald die nach RB-Tarif bezahlten Beschäftigten ausscheiden, können billigere Kräfte eingekauft werden. Außerdem sollen die neuen Gesellschaften auch externe Aufträge übernehmen und damit für eine bessere Auslastung sorgen. Hinzu kommen erwartete Ersparnisse durch die Zusammenlegung der bisher getrennten Fernseh- und Hörfunkstandorte in einem zentralen Neubau am Rande der Innenstadt. Dort soll auch die neue RB / „Bavaria“-Produktionsfirma residieren. Sie braucht nach Glässgens Schätzungen eine Anschubfinanzierung von 1,1 Millionen Euro aus RB-Geldern. Aber schon ab 2008 soll sie schwarze Zahlen schreiben.
Zweifel an Prognosen
Gewerkschafter bezweifeln diese optimistischen Prognosen und halten es für einen gefährlichen Irrweg, den Sender quasi zu zerschlagen. Doch alle Proteste bis hin zu einem Warnstreik mit mehrstündiger Funkstille blieben insofern erfolglos: Am Outsourcing an sich war nichts mehr zu ändern. Aber an den Bedingungen: Schon 2002 vereinbarten Sender und Gewerkschaften einen Sozialplan-Tarifvertrag, der jedem auszugliedernden Beschäftigten Mindeststandards zusicherte, damit er bei Gehalt und Altersversorgung nicht schlechter gestellt würde als die im Hause Verbleibenden. Nach dem Warnstreik im Februar 2005 wurden im Frühjahr präzisere Eckpunkte vereinbart (RB-Personalchef Christoph Blocher bestreitet allerdings jeden Zusammenhang mit dem Ausstand), und mittlerweile sind diverse Detailregelungen ausgehandelt und in drei Tarifverträgen verankert worden.
Da ist zum einen ein Wortungetüm namens „Beschäftigungssicherungstarifvertrag“. Er schützt alle nicht ausgegliederten RB-Angestellten bis Ende 2008 vor Kündigung. Auch arbeitnehmerähnliche Freie werden innerhalb dieses Zeitraums abgesichert: Auftragslöcher dürfen ihnen höchstens 20 Prozent Honorareinbußen bescheren.
Für die etwa 15 Beschäftigten des Bereichs „Ausstattung“ wurde ein Überleitungstarifvertrag vereinbart. Ihr neuer Arbeitgeber, die „Bremer Bühnenhaus GmbH“, muss sie zu „unveränderten Arbeitsbedingungen“ weiterbeschäftigen. Nach gültigen Handwerkertarifen würden sie dort eigentlich weniger verdienen als bisher, aber der Sender gleicht diese Differenz durch eine Zulage aus. Auch die RB-Altersversorgung bleibt ihnen erhalten. Und wenn ihr Unternehmen Pleite geht oder sie aus Gründen entlässt, die bei der ARD-Anstalt keine Kündigung rechtfertigen würden, dann haben sie ein Recht auf Rückkehr zum Sender und genießen dann dort den erwähnten Kündigungsschutz bis Ende 2008. Diese Regelungen sollen auch Modell stehen für den noch nicht fertig ausgehandelten Tarifvertrag zur Überleitung der 140 Beschäftigten der Fernseh- und Hörfunkproduktion.
Kleine Einbußen akzeptiert
Im Gegenzug für all diese Zusicherungen akzeptierten die Gewerkschaften kleinere Einbußen beim neuen RB-Gehaltstarifvertrag. Statt der ARD-üblichen zwei Prozent bekommen Angestellte und Freie für 2006 nur ein Plus von 1,5 Prozent. Die Altersversorgung wird etwas abgesenkt. Überstundenzuschläge werden seltener gezahlt. Und sogar die heiß geliebten Essensmarken fallen weg.
Mit dem Gesamtpaket sind die Personalvertreter aber zufrieden. Entspannt zurücklehnen können sie sich allerdings noch lange nicht, denn es bahnt sich bereits ein neuer Streit an: Wird für die künftige Produktionsfirma ein hauseigener Manteltarifvertrag abgeschlossen, der sich an den ARD-Standards orientiert – oder soll der weniger günstige Flächentarifvertrag des „Verbandes Technische Betriebe für Film und Fernsehen“ gelten? Der RB-Personalrat vermisst bisher das im April vom Sender zugesagte Engagement für den Haustarifvertrag.