Tarifrunde in den Rundfunkanstalten

Die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stellt zwar eine „Branche“ dar, da es aber keinen Arbeitgeberverband gibt, gibt es auch keinen Flächentarifvertrag: Alle Rundfunkanstalten haben eigenständige Haustarifverträge und machen eigene Tarifabschlüsse. Bisher wurden sechs von zwölf erzielt.

Die Länder empfinden sich als „Eigentümer“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, denn sie entscheiden über die Finanzausstattung der Rundfunkanstalten – KEF-Empfehlung hin oder her. Deshalb war es meist relativ einfach, im Rundfunk dasselbe abzuschließen wie im „öffentlichen Dienst“ (ÖD). Das war bequem für beide Seiten. Inzwischen geht es aber im ÖD an vielen Fronten rückwärts (Altersversorgung, Arbeitszeit, Sonderzahlung, Stufensteigerungen …), weshalb wir jetzt gezwungen sind, nicht nur eigene, sondern auch eigenständige Tarifabschlüsse zu machen. Dieser „Abnabelungsprozess“ ist mühsam aber erfolgversprechend, denn die meisten Verschlechterungen des ÖDs haben wir dadurch für unseren Bereich abwehren können.
Diesmal gab es nicht „den“ ÖD-Abschluss, sondern mehrere. Die Rundfunkanstalten wollten sich aus diesen jeweils die Rosinen picken. Unter dieser – und nur unter dieser – Voraussetzung sind die sechs bisher erzielten Rundfunkabschlüsse akzeptabel.
Die Laufzeiten liegen zwischen 43 (ZDF) und 47 Monaten (NDR). Das ist extrem lang, macht aber im Hinblick auf die Gebührenperiode brachenspezifisch durchaus Sinn. Für eine derart lange Laufzeit sind die in zwei Stufen erfolgenden tabellenwirksamen Erhöhungen um insgesamt 2,7 (BR, NDR) bis 4,1% (ZDF) jedoch viel zu niedrig, denn sie bedeuten eine Dynamisierung um nur 0,7 bis 1,2% pro Jahr, weniger als die aktuelle Teuerungsrate und weniger als in anderen Branchen.
Bei fast allen bisherigen Abschlüssen (BR, DRadio, SWR und ZDF) ist es allerdings gelungen, Arbeitszeitverlängerungen abzuwehren. Nur beim WDR wurde ein arbeitsfreier Tag de facto abgeschafft, was rechnerisch einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit um 10 Minuten bzw. einer Absenkung des Stundenlohns um 0,45% entspricht. Damit ist der WDR-Abschluss das Schlusslicht mit nur 2,3% effektiver Erhöhung in 46 Monaten bzw. einer Dynamisierung um nur 0,6% pro Jahr.
Ein Abbau wie im ÖD von Zuwendungen (bei uns „13. Gehalt“), Urlaubsgeld und Ortszuschlag (bei uns „Familienzuschlag“) konnte für unseren Bereich abgewehrt werden. Bei einigen Rundfunkanstalten hatten wir erst kürzlich vereinbart, das 13. Gehalt in das Monatsgehalt einzuarbeiten, um es abzusichern. DRadio holt das in dieser Runde nach, wofür die Kollegen dort auf 0,3% der tabellenwirksamen Erhöhung verzichtet haben.
Im ÖD sollen die bei den Zuwendungen eingesparten Mittel für die Finanzierung einer „leistungsorientierten Vergütung“ eingesetzt werden. Auch wir verhandeln mit einer Reihe von Rundfunkanstalten (hier übrigens zehn Anstalten an einem Tisch!) über „leistungsorientierte Vergütung“. Anders als im ÖD allerdings ist von uns nicht daran gedacht, diese durch kollektiven Zwangsverzicht zu finanzieren: Nach den moderaten Tarifabschlüssen müsste jetzt ausreichend finanzieller Spielraum vorhanden sein, dies separat zu finanzieren. In diesem Zusammenhang steht auch das Nichtunterzeichnen des HR-Abschlusses durch ver.di. Dieser von DJV und DOV unterzeichnete und ansonsten gute Abschluss enthält genau das Gegenteil davon: Eine Gehaltsstufe, die bisher von allen automatisch erreicht wird, würde dann nur noch bei entsprechender Leistung auf Antrag des Vorgesetzten gewährt!

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Faktenbasiert, aufklärend, machtkritisch

Der Journalist Georg Restle ist seit 2012 Leiter und Moderator des Politmagazins Monitor in der ARD. Der studierte Jurist tritt für einen „werteorientierten Journalismus“ ein. Mit M sprach er über Fakenews, Fehlerkultur und journalistische Resilienz.
mehr »

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »

Erziehung zur digitalen Mündigkeit

Wie kann man Kinder und Jugendliche bei der Social-Media-Nutzung vor Gefahren wie Cybergrooming oder -mobbing schützen, ohne ihnen Teilhabe- und Befähigungschancen in der digitalen Welt zu verbauen? Die aktuelle Debatte wird hitzig geführt. Antworten reichen von einem Verbot für Tiktok, Instagram und Co für unter 16-Jährige bis hin zur Stärkung von „digitaler Mündigkeit“ der User und rechtlicher Regulierung der Anbieter.
mehr »