„Zu alt? Abgelehnt!“

Omas und Greise: Geldgierig, pflegebedürftig, überflüssig

Dass die Boulevardpresse Frauen jenseits der 60 grundsätzlich mit „Oma“ tituliert, ohne dass ein Beweis für Enkel vorliegt – man hat sich fast daran gewöhnt. Dass über 40 Prozent der bundesdeutschen Betriebe keine Menschen über 50 beschäftigen – das weiß man.

Dass auch in der seriösen Presse Rentner grundsätzlich auf Kreuzfahrtschiffen rumlümmeln und „unser“ Geld verprassen, gleichzeitig aber ab circa 60 pflegebedürftig sind und „unser“ Gesundheitssystem ausbeuten – man regt sich kaum noch auf. Wenn aber, wie die Journalistin Astrid Nourney es getan hat, dieses alles gesammelt und gelassenen Tones konzentriert beschrieben wird, schärft das eingeschliffene Wahrnehmungen neu. Altersdiskriminerung ist Alltag: Längst scheint es als selbstverständlich hingenommen zu werden, wenn politische Nachwuchsgrößen plappern, ab 75 lohne eine neue Hüfte nicht mehr, wenn Ältere weder raten- noch kreditwürdig sind und selbst im Ehrenamt die Alten rausgekegelt werden. Dafür wird man neuerdings mit über 50 flugs in der Pappschachtel „50-plus“ abgelegt, womit unterstellt wird, man hätte die gleiche Lebensführung wie 98jährige. Nourney hat 22 Interviews mit 24- bis 75-jährigen Menschen aus Politik und Medien, Kunst und Wissenschaft, Wirtschaft und Ehrenamt geführt und fügt diese Gespräche lesefreundlich zwischen Daten und Befunde. Da erzählt die ehemalige Rundfunkratsvorsitzende von Radio Bremen, Roswitha Erlenwein, wie sie mit 72 als „nun wirklich zu alt“ an einer erneuten Kandidatur gehindert wurde, da berichten Werbeprofis von Mitte 40 wie ihnen kaum zugetraut wird, eine Kampagne für „junge Mode“ zu kreieren, da freut sich NDR-Talkerin Bettina Tietjen, dass sie wegen ihre Alters (46) noch nicht diskriminiert wurde, da findet der ehemalige Minister Clement, Jahrgang ‘40, dass das ZDF „wegen Publikumsüberalterung seine Zukunft verspielt“ und in der „Zeit“ sind Menschen über 65, die Auto fahren (und weniger Unfälle bauen als Jüngere) „immer mehr Greise, die hinter dem Lenkrad auftauchen“.
Was die Autorin zusammengetragen hat ist nicht neu, wichtig ist ihr Buch, weil es nicht nur den Ist-Zustand beklagt, sondern auch positive Ansätze beschreibt, wie einen Treffpunkt alter Migranten oder ein Forschungsprojekt mit 24- und 75jährigen Forscherinnen. Für Journalisten/innen ist das Buch eine Chance, im täglichen Trott inne zuhalten und nicht, wie das „Haller Tageblatt“, über 45jährige als „Jungseniorinnen“ zu bezeichnen oder im Zusammenhang mit der schönen Tatsache, dass wir alle ziemlich alt werden, nicht immer von „Alterslast“ zu schreiben oder zur Kenntnis zu nehmen, dass es keine einzige Studie gibt, die einen Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit und Alter am Arbeitsplatz nachweist. Möglicherweise fällt ihnen dann auch auf, dass, so Politologe Valentin Heyde zu Nourney, „fast alle Spitzenpolitiker bei uns in einem Alter sind, in dem die meisten deutschen Firmen sie nicht mehr anstellen würden. Aber sie schaffen Arbeitszeiten, die die meisten 30jährigen nicht mitmachen würden.“ Das einzig Störende in dieser feinen Neuerscheinung: Einem gewissen Reimer Gronemeyer wird mit vielen Zitaten aus seinem strohdummen Pamphlet „Kampf der Generationen“ zu viel Ehre zuteil. Nourneys Buch ist übrigens handlich und bietet Anmerkungen, einen informativen Kurzausflug zu „Schreckens- und Vorbildern im Ausland“ und einen guten Adressenteil.

  

 

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