Befristung: Einzelfallbegründung muss Dauer rechtfertigen

SWR unterlag vor Arbeitsgericht

In einem über den Einzelfall hinaus interessanten Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 4. 10. 2000 (Az 9 Ca 152/00) hat das Gericht den SWR verurteilt, eine Mitarbeiterin über das formelle Ende des befristeten Arbeitsvertrages hinaus als Dokumentationsredakteurin weiter zu beschäftigen.

Die Klägerin hatte seit März 1994 bis Ende Februar 2000 drei befristete Arbeitsverträge. Der erste Vertrag wurde vom Arbeitsamt gefördert (§ 33 Schwerbehindertengesetz). Der zweite Vertrag war befristet wegen einer Sonderaufgabe (Verstärkung bei der Umstellung auf ein digitales Pressearchiv). Der gleiche Befristungsgrund wurde beim dritten Vertrag angegeben. Der Mitarbeiterin wurde 1999 mitgeteilt, es sei nicht vorgesehen, sie weiter zu beschäftigen. Seit Ende 1999 kam es zu Gesprächen über die Fortführung des Vertrages.

Das Arbeitsgericht hat sich zunächst damit befasst, dass die Mitarbeiterin nach dem 28. 2. 2000 weiter beschäftigt wurde. Nach § 625 BGB ist die Fortsetzung des Dienstverhältnsisses mit Wissen des Vertragspartners verlangt. Der Arbeitgeber kann allerdings der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Das Arbeitsgericht hat es für möglich gehalten, dass hier der Arbeitgeber seinen Widerspruch zum Ausdruck brachte, bevor die Mitarbeiterin dann am 15. 3. 2000 nach Hause geschickt wurde. Es hat diese Frage aber letztlich offen gelassen, weil der letzte Vertrag als nicht wirksam befristet angesehen wurde. Die Befristungsabrede war hier nicht gerechtfertigt. Der SWR berief sich darauf, die Befristung sei nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz erfolgt und daher zulässig. Da aber hier ein sachlicher Grund im Vertrag für die Befristung ausdrücklich angegeben wurde, hat das Arbeitsgericht eine sogenannte Sachgrundbefristung angenommen und nicht eine Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz.

Anspruch auf Weiterbeschäftigung

Zwar konnte der hier angegebene sachliche Grund die Befristung tragen, weil eine solche Maßnahme einen vorübergehenden Arbeitskräftebedarf mit sich bringt. Im vorliegenden Falle war es aber so, dass nicht ersichtlich war, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit, die einer üblichen Dokumentationsredakteurin, während der laufzeit des letzten befristeten Arbeitsvertrages noch im Zusammen- hang mit der (nach dem Vortrag des SWR) noch fortdauernden Umstellung auf ein digitales Pressearchiv stand. Deswegen hat das Arbeitsgericht keine wirksame Sachgrundbefristung angenommen.

Die konkreten Umstände des Einzelfalles müssen – so das Arbeitsgericht – auch die Dauer einer Befristung rechtfertigen. Wenn sich ein Mehrbedarf an Arbeitskräften erst Ende 2001 grundlegend ändern soll, dann spricht nach Auffassung des Arbeitsgerichtes einiges dafür, dass der gewählte Zeitrahmen des Vertrages nur deswegen gewählt wurde, weil befristete Arbeitsverträge beim SWR nicht über eine zusammenhängende Vertragsdauer von insgesamt sechs Jahren ausgedehnt werden können (Ziffer 248 MTV SWR). So kam das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet besteht. Der Mitarbeiterin wurde ein Anspruch auf Beschäftigung und Weiterbeschäftigung als Dokumentationsredakteurin zugesprochen.

RA A. Götz von Olenhusen, Freiburg

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »