Sloweniens Journalisten warnen mit Petition vor staatlicher Zensur
Allein bei „Delo“, der größten Tageszeitung im EU-Musterland Slowemien, mussten 25 Redakteure in den letzten zwei Jahren ihre Posten räumen. Für grenzüberschreitendes Aufsehen und Proteste internationaler Journalistenverbände sorgte vor allem die umstrittene Abberufung der „Delo“-Korrespondenten in den Nachbarländern Kroatien und Österreich.
Das Arbeits-Martyrium von Grega Repovz begann nach der Auswechslung seines Chefredakteurs. Allmorgendlich machte sich der damalige Kommentar der slowenischen Tageszeitung „Delo“ in seine Redaktionsstube auf. Doch seine Dienste waren dort nicht gefragt. „Ich saß dort bis zum Abend, aber konnte nichts tun. Sie ließen mich einfach nicht mehr arbeiten,“ erinnert sich der Vorsitzende des Slowenischen Journalistenverbands (SAJ) an die trostlosesten Monate seiner Karriere: „Mal wurde behauptet, man müsse den Kommentar verschieben, mal gesagt, nun wäre kein guter Moment für das Thema.“ Nach einem Jahr des Arbeitsentzugs hatte der 37jährige genug, kündigte vor Jahresfrist seinen Job: „Ich sagte meiner Frau, lieber verkaufe ich unsere Wohnung als in der „Delo“-Redaktion noch weiter zu schmoren.“
Ein Einzelfall ist Repovz in dem 1,9-Millionen-Einwohner-Land keineswegs. Zagreb-Korrespondent Rok Kajzer hatte die eigene Regierung mit bissigen Kommentaren zu deren „panischen Reaktionen“ bei den slowenisch-kroatischen Grenzstreitigkeiten verärgert. Wien-Korrespondent Matija Grah zog sich im Juni 2006 den Zorn des Außenministeriums durch einen kritischen Kommentar zu deren Politik gegenüber der slowenischen Minderheit in Österreich zu. Schon am nächsten Tag sei er in die Chefredaktion einberufen und wegen „unobjektiver Berichterstattung“ abgemahnt worden, berichtet Grah gegenüber M. Seinen Informationen zufolge hatte sich Außenminister Dimitrij Rupel persönlich über seine Analyse beschwert. Wie Kajzer wurde der preisgekrönte Grah wegen angeblicher „Unfähigkeit“ im Sommer endgültig nach Ljubljana zurückbeordert: Zum Schreibtisch-Analyst degradiert kommentiert der Ex-Korrespondent in der Redaktion nun die Geschehnisse in Asien und Afrika.
Mediengesetz geändert
571 Journalisten, fast ein Drittel des Berufsstands in Slowenien, unterzeichneten eine dem Parlament im Oktober überreichte Petition, die vor staatlich orchestrierter „Zensur und der Einschränkung der Pressefreiheit“ warnt. Seit der Machtübernahme der Mitte-Rechts-Regierung von Premier Janez Jansa 2004 sind ihr zufolge die wichtigsten Privatmedien mit dem Verkauf von Staatsbeteiligungen unter Regierungs-Kontrolle gebracht: Im Gegenzug für das Abtreten von Anteilen handelte die Regierung personelle Zugeständnisse bei der Besetzung der Chef-Etagen der Privat-Presse aus. Der Wechsel der Kapital-Struktur bei an Medienunternehmen beteiligten Konzernen habe den „Austausch von Aufsichtsrat, Vorstandsvorsitzenden – und Chefredakteuren“ ermöglicht, heißt es in der Petition. Die neuen Kapitäne an der Spitze der Medien-Konzerne zeigten keinerlei Respekt vor journalistischer Autonomie: Der Regierung sei es gelungen, selbst bei den Privatmedien eine „einflussreiche Pyramide von Entscheidungsträgern“ zu etablieren.
Mit der Änderung des Mediengesetzes konnte die Regierung ohnehin ihren Einfluss auf das staatliche Fernsehen stärken. Gleichzeitig wurde laut Revpoz auch die nationale Nachrichtenagentur durch den Austausch des Führungspersonals „auf Linie“ gebracht. Außer „Delo“ habe die Regierung die Leitung der drittgrößten Zeitung „Vecer“ unter Kontrolle. Bei den „Primorski Novice“ wiederhole sich derzeit dasselbe „Modell“: „Erst werden der Vorstandschef ausgetauscht, dann der Chefredakteur – und die Ressortleiter.“
Unabhängig gebliebene Medien, wie die Zeitung „Dvevnik“ oder das inzwischen von ihm geleitete Wochenmagazin „Mladina“, würden mit dem Entzug der Annoncen von Staatsunternehmen „bestraft“, sagt Revpoz: „Bei Mladina ging darum das Werbeaufkommen im letzten Jahr um 45 Prozent zurück.“ Die Vorwürfe der Journalisten-Verbände bestätigte im Juni die frühere Wirtschafts-Staatssekretärin Adrijana Starina Kosem, die an den komplexen Aktien-Transaktionen beteiligt war: Der Regierungs-Druck auf die Zeitungen überschreite „die Grenzen des guten Geschmacks“.
Das Internationale Presse Institut (IPI) in Wien hat Slowenien bereits aufgefordert, die Zensur-Vorwürfe mit Hilfe einer unabhängigen Untersuchung zu überprüfen. Von politischem Druck auf die Medien könne „keine Rede“ sein, erklärte indes gereizt Parlamentspräsident France Cukjati bei der Entgegennahme der Petition. Unmittelbar vor der am 1. Januar beginnenden EU-Präsidentschaft Sloweniens kommt Ljubljana die Kritik tatsächlich ungelegen. In einer Erklärung verweist die Regierung auf internationale Untersuchungen, die den Zustand der Pressefreiheit in Slowenien eher positiv bewerten.
Lange sei das Mediensystem in Slowenien tatsächlich ein Modell für andere Staaten in der Region gewesen, sagt der SAJ-Vorsitzende Revpoz: „Doch nun wird alles zurück gedreht.“ Eine negative Ausstrahlung habe diese Entwicklung auch auf Nachbarländer wie Kroatien, wo Politiker ihre Medien-Begehrlichkeit nun mit dem slowenischen Beispiel rechtfertigen könnten. Ex-Korrespondent Grah fürchtet, dass die Medien sich selbst bei einem Regierungswechsel kaum mehr früherer Freiheiten erfreuen könnten: Einmal „geöffnete Kanäle“ zu mehr Zugriff auf die Medien würden von jeder Partei gerne genutzt. Als Journalist von „Mladina“ sei Premier Jansa 1987 wegen kritischer Berichterstattung selbst inhaftiert worden, berichtet beim Abschied Grega Revpoz mit einem ratlosen Achselzucken: „Und nun wittert er in den Medien den größten Feind.“