Bauer geht mit „Zuversicht in die Zukunft“ – Arbeitsplatzabbau bei ProSiebenSat1. Media AG
Heinz Heinrich Bauer führt seinen Verlag in vierter Generation, weltweit erscheinen in seinem Imperium 120 Zeitschriften, davon 31 auf dem deutschen Markt. In der Kritik steht er seit Jahrzehnten durch seinen Umgang mit Mitarbeitern und Betriebsräten – und der Ton wird immer schärfer.
Zufrieden ließ Verleger Heinz Heinrich Bauer Anfang Dezember von seinem Sprecher Andreas Fritzenkötter die Zahlen des Geschäftsjahres 2001 verkünden. Der Außenumsatz sei gegenüber dem Vorjahr um 5,9 Prozent auf 1,75 Milliarden Euro gestiegen. Für das Jahr 2002 wird ein weiterer Anstieg prognostiziert. Während die Konkurrenz fleißig Meldungen über Arbeitsplatzabbau verbreitet, stieg die Zahl der Mitarbeiter bei Bauer nach eigenen Angaben im Jahresdurchschnitt auf 6 288 gegenüber 5 740 im Vorjahr. „Gerade jetzt geht die Bauer Verlagsgruppe mit Tatkraft, Zuversicht und Mut in die Zukunft“, versicherte Heinz Heinrich Bauer. „Die wirtschaftliche und journalistische Kompetenz unseres Familienunternehmens und seiner Mitarbeiter sind Garanten dafür, dass wir unsere Chancen in bestehenden und neuen Geschäftsfeldern erfolgreich nutzen werden.“
Das neue Geschäftsfeld wurde durch Leo Kirchs Konkursverkauf ermöglicht. Bauer hatte sich Ende Oktober mit dem Insolvenzverwalter über den Einstieg bei ProSiebenSat.1 Media AG und über den Erwerb des Filmstocks der Kirch Media geeinigt. Rund 6000 Beschäftigte sind von dem Großdeal betroffen. Dass Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, steht bereits fest, genaue Zahlen liegen aber noch nicht vor.
Wie ihr künftiger Arbeitgeber mit seinen „Garanten des Erfolgs“ umspringt, könnten die Münchner unter anderem durch einen Blick nach Magdeburg feststellen. Dort habe „Krieg am Werkstor“ geherrscht, wie ein Beobachter des Arbeitskampfes von 1997 sich noch heute mit Grauen erinnert. Bauer, der einen Pilotenschein besitzt, habe die Streikbrecher höchstpersönlich auf das Firmengelände geflogen. Und wie Helmut Kohl, von dem er seinen Sprecher Andreas Fritzenkötter übernahm, gilt auch Heinz Heinrich Bauer als Elefant, der nichts vergisst oder verzeiht. Der fünfwöchige Streik endete für den Verleger mit einer Niederlage, er musste zulassen, dass die Mitarbeiter endlich einen Tarifvertrag erhielten.
Primitiver Racheakt nach Gutsherrenart
Eine Quittung erhielten 17 Beschäftigte der Druckservice Barleben GmbH als „besonderes Weihnachtsgeschenk“ von Bauer Ende November 2002. Die Mitarbeiter seien von der Schicht ahnungslos nach Hause gekommen, als sie per Boten ihre sofortige Beurlaubung erhielten. Die Kündungen folgten einige Tage später. „Dies ist ein primitiver Racheakt nach Gutsherrenart“, meint ver.di-Fachbereichsleiter Michael Kopp. Mit dem erkämpften Tarifvertrag wurde auch das so genannte Maßregelungsverbot festgeschrieben, dass Nachteile für die Streikenden ausschließt. Deshalb habe Bauer mit seinem Gegenschlag so lange gewartet, vermutet Michael Kopp. Es gäbe weder einen Sozialplan, noch würden Abfindungen gezahlt, so Tobias Göbel, Betriebsrat Druckservice Barleben GmbH: „Wir klagen jetzt beim Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung.“ Die zuvor von Bauer neu gegründete Media Service Barleben GmbH hätte bereits mit der Beurlaubung der Gekündigten deren Aufgaben übernommen. Die dortigen Kollegen arbeiteten selbstverständlich ohne Tarifvertrag, zu niedrigeren Löhnen und ohne Betriebsrat.
Bereits in den vergangenen Jahren wurde die Mediengruppe Magdeburg in etliche kleine, ausgegliederte Firmen aufgesplittet. Die Mitarbeiter werden ebenfalls ohne Tarifvertrag, zu niedrigeren Löhnen und ohne Interessenvertretung beschäftigt. Dagegen kämpfte der Betriebsrat der Magdeburger Verlags- und Druckhaus GmbH, der für die „Magdeburger Volksstimme“ zuständig ist, und der Betriebsrat der Druckservice Barleben GmbH vor Gericht. „Sie klagen auf die Feststellung, dass die abgespaltenen Firmen nach dem Betriebsverfassungsgesetz einen Betrieb bilden“, berichtet Kopp. Das Landesarbeitsgericht in Halle gab den Betriebsräten Recht. „Eigentlich ist das Urteil bereits rechtskräftig“, so Göbel. Damit müsste es eine Sozialauswahl bei Entlassungen und einen Sozialplan geben. Müsste – denn mit allerlei juristischen Kniffen verhindert Bauer dies bisher erfolgreich und damit auch, dass ein gemeinsamer Betriebsrat gegründet werden konnte.
Splitterunternehmen mit kleinen Betriebsräten
Bauer zerstückle sein Imperium mutwillig in viele kleine KGs, beschreibt Kopp die Unternehmensstrategie. Dies mussten nicht nur die Magdeburger erfahren, auch die Hamburger Beschäftigten können davon ein trauriges Lied singen. Bereits in den 80er Jahren gliederte Heinz Heinrich Bauer Unternehmensteile aus. Für jedes Splitterunternehmen wollte er einen eigenen Betriebsrat, anstelle eines großen für alle. Ein jahrelanger Rechtsstreit zehrte an den Nerven aller Beteiligten. Schließlich einigte sich 1990 die Bauer Verlagsgruppe mit der IG Medien und dem DJV. Ein gemeinsamer Betriebsrat für die Beschäftigten am Standort Hamburg wurde für die Redaktions KG vereinbart. Doch im vergangenen Jahr war dies plötzlich passé. Kurz vor der Betriebsratswahl kündigte Bauer das so genannte Toleranzabkommen. Statt einem Betriebsrat müssen sich jetzt sieben Betriebsratsgremien um die Belange der rund 1100 Hamburger Beschäftigten kümmern. In der hauseigenen Mitarbeiterpostille „BauerIntern“ vom 5. Dezember 2001 konnten die Arbeitnehmer dann nachlesen, welchen Sinn für den Verleger diese Aktion macht. „Neu zusammengestellte, dezentrale Unternehmenseinheiten werden in der Lage sein, im schärferen Wettbewerb schneller und flexibler zu reagieren“, hieß es. Dann folgte ein Interview mit dem Personalchef Axel Filip. Er versicherte, dass den Mitarbeitern keine Nachteile entstünden und sie ihre Besitzstände, wie Urlaub, Gehalt, Arbeitszeit oder auch Betriebszugehörigkeit, behalten dürften.
Dabei wären diese Ängste nicht unbedingt unbegründet. So sollten bei der Bauer Reprotechnik 25 Arbeitsplätze abgebaut werden. Der Komplettrausschmiss konnte nur zum Teil durch den Betriebsrat abgewendet werden. Die Situation war absurd: Nur wenn sich ausreichend Mitarbeiter fanden, die sich freiwillig kündigen ließen, war Bauer bereit, einige wenige zu behalten. Für diese Betroffenen wurde ein Sozialplan aufgestellt.
Weniger Gehalt
„Es haben sich 17 Kollegen gemeldet, die verbliebenen haben jetzt wieder eine 40-Stunden-Woche und natürlich weniger Lohn“, sagt Ursula Meyer, Konzernbetriebsratsvorsitzende. Ähnlich wurde in der Dokumentation verfahren. „Seit November haben alle Kollegen neue Verträge erhalten. Sie bekommen im Durchschnitt zehn Prozent weniger Gehalt, bei 40 Stunden Arbeitszeit in der Woche.“ Hätten sie sich geweigert, wäre die Dokumentation geschlossen worden. Offenbar nicht erwünscht ist im Bauer-Imperium ein offener Umgang zwischen Betriebsräten und Mitarbeitern. Sowohl den Einzelbetriebsräten, als auch dem Konzernbetriebsrat wurde verboten, schriftliche Informationen im Haus zu verteilen, in denen sie über Sitzungen mit der Geschäftsleitung berichten. „Dies sei nicht unsere Aufgabe hieß es. Dagegen müssen wir jetzt klagen“, bedauert Ursula Meyer. Für reichlich Ärger sorgt auch die Seite, die der Konzernbetriebsrat für das Bauer-Intranet entwickelt hat. In einer Betriebsvereinbarung wurde dies verbindlich geregelt. „Jetzt ist die Seite fertig, aber wir dürfen sie nicht einstellen. Auch dagegen müssen wir jetzt klagen“, sagt Ursula Meyer.
Nicht die einzigen Überraschungen, mit denen die Betriebsräte im vergangenen Jahr konfrontiert wurden. Unter anderem feuerte Bauers Smaragd KG die komplette Belegschaft von „Bravo Sport“, das Blatt wird jetzt von einer Agentur in Köln produziert.