Verschlechterungen nicht zulassen, Verbesserungen erstreiten
Die Manager der bundesdeutschen Zeitungsverlage sind ernst zu nehmen! Diese Haltung ist beileibe kein Ausdruck übertriebener Höflichkeit. Dies ist vielmehr die zwingende Konsequenz aus der tarifpolitischen Strategie des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).
Diese Strategie ist ebenso offenkundig wie eindrucksvoll: Getrieben durch den Rückenwind der vermeintlich größten Zeitungskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte verhinderten die Verlage mit einem unzumutbar niedrigen Angebot den Abschluss eines neuen Gehaltstarifvertrages und neue Honorarsätze für Freie, verweigerten eine Vereinbarung über Beschäftigungssicherung und lehnten es brüsk ab, den von ihnen gekündigten Manteltarifvertrag (MTV) für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen zumindest für das Jahr 2003 noch einmal rechtsverbindlich in Kraft zu setzen. Und nun treten die BDZV-Mitgliedsverlage mit Verve und dem Ziel an, die im Manteltarifvertrag beschriebenen Rahmenbedingungen der Arbeit von Redakteurinnen und Redakteuren massiv zu verschlechtern. Ihre MTV-Forderungen haben die Verleger zwar noch nicht auf den Tisch gelegt, immerhin aber bereits Stichworte geliefert und damit die „grobe Richtung“ skizziert: Eingriffe in die Arbeitszeit, weg mit der 5- zugunsten einer 6-Tage-Woche, drastische Kürzung des Urlaubsgeldes, Verschlechterung der Regelungen zum Urheberrecht, Zerstörung des Berufsbildes der Foto-Redakteure und anders mehr.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di muss und wird darauf eine Antwort finden. Diese Antwort darf und wird allerdings keine sein, die sich in einer reinen Verteidigungsstrategie erschöpft. Vielmehr geht es darum, erreichte Standards zu sichern und darüber hinaus deutlich zu sagen, woran es noch mangelt. Denn eines ist doch wohl klar: Wenn die Verleger den MTV kündigen, um ihn zu verschlechtern, dann müssen sie von der dju – zumal mit dem schon jetzt spürbaren Rückenwind aus den Redaktionen – unmissverständlich gesagt bekommen, was unter den Gesichtspunkten verbesserter Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten und journalistischer Qualität zwingend in den „Mantel“ geschrieben werden muss.
Die dju-Tarifkommission hat sich daher in ihrer Sitzung Ende Januar in Berlin auf „Eckpunkte“ verständigt, die nun zu einem Forderungskatalog ausformuliert werden. Dabei geht es dann beispielsweise nicht nur um die Abweisung des Horrorkatalogs der Verleger, um die Aufnahme der Online-RedakteurInnen in den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages und um die Rücknahme der nicht (mehr) zu begründenden Absenkung der Jahresleistung auf 95 Prozent eines Monatsgehalts. Vor allem geht es auch um mehr Arbeitszeitsouveränität unter Einschluss der in den Redaktionen immer deutlicher formulierten Forderungen nach einer 4-Tage-Woche, um verbindliche Weiterbildungs- und Qualifikationsansprüche, um handhabbare Kollektivregelungen von Teilzeitarbeit, Altersteilzeit und anderen denkbaren Formen der dauerhaften oder zeitweisen individuellen Arbeitszeitverkürzung. Und es geht auch um die längst überfällige Anhebung der Sonn- und Feiertagszuschläge, die Einführung eines Antrittsgeldes für Samstagsarbeit und auch um eine Zuschlagsregelung für Nachtarbeit von Redakteurinnen und Redakteuren.
Die tarifpolitische Richtung ist also klar! Jetzt gilt es, sich auf ein tarifpolitisch heißes Jahr 2003 ein- und in den Betrieben entsprechend aufzustellen. In den Redaktionsstuben wird entschieden, ob es den Verlegern gelingt, uns erneut zu Lasten redaktioneller Arbeitsbedingungen und journalistischer Qualität über den Tisch zu ziehen – oder wir in der Lage sind, die notwendigen MTV-Verbesserungen notfalls zu erstreiten.
Also noch einmal: Natürlich müssen die Verleger ernst genommen werden! Für die Tageszeitungs-Redakteurinnen und -Redakteure gibt es allerdings keinerlei Grund, auf ein offensives und entschlossenes Eintreten für die eigenen Interessen zu verzichten. Sollen sich die vermeintlich Stärkeren doch ruhig einmal eine blutige Nase holen.
Malte Hinz ist Mitglied des dju-Bundesvorstandes und der Tarifkommission